Reflecting Fashion – Zwischen Kunst und Mode

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Christo, Wedding Dress, 1967, Christo and Jeanne-Claude, New York, im Besitz des Künstlers. © Christo

Den Zusammenhang zwischen Mode und Kunst versucht eine außergewöhnliche Ausstellung im Wiener mumok zu beleuchten. Reflecting Fashion. Kunst und Mode seit der Moderne beschäftigt sich mit den Grauzonen zwischen Kunst und Mode, schaut da genau hin, wo übliche Definitionen der beiden versagen, und regt so zum Überdenken eines Kategoriendenkens an, das angesichts der Postmoderne versagt: „Whether fashion is art, or whether even art is art, doesn’t really interest me. Maybe nothing is art. Who cares?“ (Miuccia Prada zitiert hier von Valerie Steele)

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Sylvie Fleury, Formula 1 Dress, 1999, Edition von 100, mit Hugo Boss Sammlung Hoffmann, Berlin, @ Sylivie Fleury. Erwin Wurm, Construct (aus der Serie Hermès), 2008, Courtesy of the artist, © VBK Wien, 2012 / mumok.

Wenn sich die Mode in Richtung Kunst lehnt, wenn Alexander McQueen, Miuccia Prada oder Iris van Herpen die Grenzen zwischen den beiden Disziplinen ausloten, dann erfahren diese Kollektionen meist viel Lob und Kritik – die einen sind begeistert ob dieser genialen Grenzüberschreitungen, für andere stellen sie einen Affront dar, kurz, es scheiden sich die Geister.
Viel seltener lehnt sich die Kunst, die es mehr als die Mode geschafft hat – und auch mehr Zeit dafür hatte – sich als intellektuelles Feld zu etablieren, in Richtung Mode.

08_Geiger_Ohne Titel_2003.jpgMarcus Geiger, Ohne Titel, 2003 Schusack, evn collection, Maria Enzersdorf, Foto: Jens Preusse, © Markus Geiger

Wenn sie es doch tut, dann entstehen dabei Stücke, die eine neue Dimension zur Kunst hinzufügen: sie stellen eine direktere, körperliche Beziehung zwischen Betrachter und Werk her.
Noch mehr als Gemälde, selbst als Skulpturen, erwecken diese textilen Grauzonenkunstwerke den Wunsch, sensorisch erfasst, „begriffen“ zu werden. Stoff und Haut haben eine enge Beziehung, die, wenn nicht herzustellen erlaubt ist, eine spürbare Leere hinterlässt.
Wenn, wie in einem Museumskontext, das Anfassen, das Anziehen eines Kleidungsstückes verboten ist, verliert es seine Funktion, doch wird es dadurch bereits zu Kunst?
Auch auf dem Laufsteg ist das Kleidungsstück auf einem Podest, überhöht, ausgestellt und darf nicht berührt werden: Ist es dort Kunst oder Mode? Die Ambivalenz der Mode verschärft sich, wenn der Faktor der Kunst hinzu kommt. Die Aura des Kunstwerks, wie Benjamin sie beschreibt, kann zweifelsohne auch dem Kleidungsstück anhaften, doch erreicht es selten ähnliche Bedeutung wie das Gemälde, der Duck oder die Statue.

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Elsa Schiaparelli & Salvador Dalí, Woman’s Dinner DRess, 1937, Schenkung von Mme Elsa Schiaparelli, 1969, © Philadelphia Museum of Art / VBK Wien, 2012. Joseph Beuys, Filzanzug, 1970. Sammlung Philipp Konzett, Wien ©bpk/ Bayerische Staatsgemäldesammlungen / VBK Wien, 2010

Weder Mode noch Kunst lassen sich wirklich lückenlos definieren, und sind doch als Konzepte, als platonische Ideen, bei jedem Menschen auf die eine oder andere Weise hinterlegt.
Diese vagen Umrisse der beiden erlauben Spielraum, doch sorgen sie auch für Sprengstoff in Diskussionen. Schiapparelli’s Zusammenarbeit mit Dali: Mode oder Kunst? Die historische Bedeutung des sogenannten Lobsterdresses: Kunst- oder Kostümgeschichte? Wie steht es um Joseph Beuys‘ Filzanzug? Sein Diebstahl wurde ohne Zögern als „Kunstdiebstahl“ deklariert, doch kann er auch getragen werden, war, im Gegensatz zum Lobster Dress, nicht einmal ein Einzelstück.

Welche Bedeutung hat in dieser Diskussion die Produktion von Mode versus Kunst? Weshalb ist es so, dass dem Nähen der fade Beigeschmack des Profanen anhaftet, während die handwerklichen Mittel zur Kunst – Malen, Zeichnen, Montieren, Drucken oder Meißeln der Wertigkeit der daraus entstehenden Werke keinen Abbruch tun?

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Mai-Thu Perret, Flow My Tears I, 2011, Courtesy Galerie Francesca Pia, Zürich, © Mai-Thu Perret. Cindy Sherman, Untitled # 217, 1984/1990, Courtesy Essl Museum, Klosterneuburg/ Wien, Foto: Photoatelier Laut, Wien, © Cindy Sherman

Diese und zahlreiche weitere Fragen wirft die Ausstellung im mumok auf, Fragen, die wohl – und das ist das beste daran – nicht beantwortet werden können. Reflektion, so sagt ja bereits der Titel der Ausstellung, ist schließlich das Ziel, nicht die Beantwortung aller Fragen.
Der umfangreiche Audioguide bietet viele Hintergründe zu den Ausstellungsstücken, der sehr spannende einleitende Vortrag von FIT-Direktorin Valerie Steele zur Ausstellung ist hier zu sehen.