3D-Printing in der Mode – Code statt Handarbeit

Iris van herpen 3D-Print Dress. Bild via.

Iris Van Herpen 3D-Print Dress. Bild via.

Wie die derzeit stattfindende Ausstellung am London College of Fashion zeigt, sind die Möglichkeiten, die das 3D-Printing für die Mode eröffnet, beinahe unbegrenzt – die einzige Einschränkung scheint das menschliche Vorstellungsvermögen zu sein.
Die Avantgarde der 3D-Print nutzenden Modemacher pusht aber genau diese vermeintlichen Grenzen. Eine Auswahl an wahrlich visionären Anwendungsbeispielen und die ungelösten Probleme dieser Technik – ein Blick durchs Schlüsselloch der Zukunft.

Neben medizinischen Einsatzgebieten – von Zahnersatz, künstlichen Nieren und Nanorobotern, die medizinische Eingriffe vornehmen sollen – über Häuser und Möbel und Waffen scheint die Technologie des 3D-Prints alles zu können. Die bisherigen Einsatzgebiete sind jene, in denen die Werkstoffe fest und/oder chemisch sind, Architektur eben oder Interior- und Produkt Design.
Sogenannte Bioprinter, basierend auf Molekulartechnologie, drucken aber potentiell sogar Fleisch und Schokolade: der 3D-Druck klingt wie die eierlegende Wollmilchsau der Wissenschaft.
Vergessen ist der Lieferservice, die Pizza wird in Zukunft direkt vom Sofa aus runtergeladen und ausgedruckt, oder?

Nun gut, bis es so weit ist, dass jeder Konsument seinen eigenen 3D-Drucker zu Hause stehen hat, dauert es wohl noch eine Weile. Die günstigsten Open-Source Printer fangen bei ca. 300€ an, sind dann aber in Sachen Material stärker festgelegt als die teureren Geräte.
Auch steckt das Bioprinting, welches für die Mode besonders interessant ist – man denke an nahtlos gedruckte Baumwollshirts oder Seidenkleider – noch in den Kinderschuhen. Die schiere Anzahl an Youtube-Videos und Blogeinträgen lädt aber bereits zur Euphorie ein.

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3D-Druck ermöglicht zuvor nicht realisierbare Formen, Materialverbindungen und Eigenschaften für Designs. Für Designer heißt das, das sich zuvor unerforschte Welten auftun. Ganz vorne mit dabei ist Modemacherin Iris van Herpen, die zusammen mit der israelischen Architektin Neri Oxman die ersten Vorstöße in das unerforschte, zukunftsträchtige Universum vornimmt.

Iris van herpen 3D-Print Dress. Bild via.

Iris van Herpen 3D-Print Dress. Bild via.

Besonders interessant dabei für die Modebranche: es werden geringere Auflagen möglich, der Designer ist nicht an eine Mindestabnahmemenge eines Stoffherstellers gebunden, gedruckt wird on demand. Außerdem könnten Reklamationen reduziert werden, jedem Kunden kann theoretisch jedes Design per Body-scan auf den Körper geschneidert werden, die digitale Umkleidekabine ist auch bereits Realität.

Iris van herpen 3D-Print Dress. Bild via.

Iris van Herpen 3D-Print Dress. Bild via.

Die momentane Problematik für den Einsatz in der Mode liegt in der Flexibilität der Materialien. 3D-Print basiert auf dem Einsatz von flüssigen oder pulverförmigen Werkstoffen, die zwar sehr dünn geprintet werden können, sich aber mit Naturfaser und herkömmlichen Stoffen nicht vergleichen lassen.
Auch Atmungsaktivität, Wasser- und Luftdurchlässigkeit sind Variablen, an welchen noch gedreht werden muss, bevor gedruckte Kleidung wirklich Einzug in den Alltag der Mode finden kann.
Daher kommt 3D-Druck vorerst nur im Bereich der Haute Couture und als Showpiece, sowie für Accessoires zum Einsatz, wo Tragekomfort zweitrangig ist.

Shapeways ist die führende Plattform, über welche 3D-Designs käuflich erwerbbar sind. Von gewoben scheinenden Keramiktassen über Eierbecher, bis hin zu pfenninggroßen Miniaturobjekten, 3D-Prints finden hier ihre Nippes-nische, zeigen aber auch deutlich die Möglichkeiten und Einschränkungen der Technik auf ihrem aktuellen Stand.

Shapeways bietet 3D-design zum Kauf an

Shapeways bietet 3D-Design zum Kauf an. Bild via.

Shapeways bietet 3D-design zum Kauf an

Shapeways bietet 3D-Design zum Kauf an. Bild via

Shapeways bietet 3D-design zum Kauf an

Shapeways bietet 3D-Design zum Kauf an. BIld via

Continuum Fashion ist teils ein Modelabel, teils ein experimentelles Designlab. Neben D.Dress, einer App, und Constrvct einem Crowd-Sourced Fashion Label, durch die jeder User zum 3D-Designer werden kann, haben Mary Huang und ihre Partnerin Jenna Fizel auch einen komplett 3D-gedruckten Bikini designt.
Unter dem Namen N12, für Nylon 12 stehend, wird dieser in verschiedenen Größen angeboten, zwar relativ günstig für die dahinter stehende Designleistung und technische Umsetzung, mit 250-300 Dollar aber noch immer kein Schnäppchen. Auch scheint die Performance des Bikinis in Sachen Transparenz zumindest anzweifelbar.

Michael Schmidt, der sich selbst „wardrobe und jewelry designer“ nennt, könnte man wohl am ehesten als einen Modekünstler bezeichnen. Seine Werke finden Einsatz als Bühnenkostüme für Madonna, Rihanna oder Lady Gaga oder werden im Metropolitan Museum ausgestellt.
Nun hat er ein 3D-gedrucktes Kleid für Dita Von Teese designt, welches auf der Fibonacci-Zahl basiert und mit 13.000 Swarovskisteinen besetzt ist – ein netter Publicity-Stunt für alle Beteiligten, aber auch hier zeigt sich die Lückenhaftigkeit der Technik und die Grenzen ihrer Anwendung im Kleidungsbereich.

Dita Von Teese trägt ein 3D-gedrucktes Kleid von Michael Schmidt by Albert Sanchez

Dita Von Teese trägt ein 3D-gedrucktes Kleid von Michael Schmidt by Albert Sanchez

 3D-Print Kleid von Michael Schmidt by Albert Sanchez

3D-Print Kleid von Michael Schmidt by Albert Sanchez

 

Abschließend bleibt die Betrachtung, dass 3D-Print ein Feld voller ungeahnter Möglichkeiten ist, eine Spielwiese für Designer aller Disziplinen.
Viele halten die Technologie für den Beginn der dritten industriellen Revolution, kritische Stimmen halten dagegen, mahnen die nicht reduzierbaren Materialkosten an, die die Technologie für eine breite Anwendung unmöglich mache. Mit Vorhersagen in Sachen Technik sollte man sich aber lieber nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. IBM-Vorsitzender Thomas Watson prophezeite 1943: „I think there is a world market for maybe five computers“, und Ken Olsen, Gründer der Digital Equipment Corporation wusste 1977 folgendes: „There is no reason anyone would want a computer in their home.“
Welche und ob 3D-Printing nun Auswirkungen auf die Mode haben wird, bleibt mit Spannung zu erwarten. Wir jedenfalls stellen uns auf die Seite der Euphorischen.
Brave New World!