Regisseur Cristian Straub im Interview – Zwischen Mode und Musik

Cristian Straub - Photography by Elena Getzieh

Cristian Straub – Photography by Elena Getzieh

Im Gespräch mit dem deutschen Regisseur Cristian Straub- einer der ersten hierzulande, der sich auf Fashionfilm spezialisierte – wird das Genre von seinen Anfängen bis Heute durchleuchtet. Cristian erzählt außerdem von seiner neuesten Arbeit, dem Musik-Video „Forward“, sowie anderen spannenden Projekten.

Modabot: Lieber Cristian, erzähl uns doch bitte etwas zu deinem neuesten Werk „Forward“ für die französisch/englische Synth-Pop Band Velour Modular? Worum geht das Video, der Song und wo habt ihr gedreht?

Cristian: Annabelle Guilhem, Sängerin des Projektes, sprach mich im Frühjahr an, ob ich Lust hätte das Debütvideo für Velour Modular zu drehen. Wir hatten gleich einen guten Draht und es stellte sich heraus, dass meine „Dervishes in Space„-Serie eine wichtige Inspirationsquelle für Stimmung und Lyrics ihrer EP waren. Wir wollten das Video unbedingt auf Island drehen, schon aus rein psychologischen Gründen. Ich schrieb ein Drehbuch, in dem es um eine Wissenschaftlerin ging, die gegen das nahende Weltenende anforschte und ankämpfte.
Die Abgeschiedenheit und aparte Stimmung auf Island waren also sehr willkommen, gleichzeitig wollten wir nicht den typischen Geysir-Nebel-Landschafts-Porno drehen. Jedes Jahr werden an die hundert Musikvideos auf Island gedreht, die Tüte an Motiv-Klischees ist dementsprechend riesengroß. Deswegen stand auch schon früh fest, dass wir einen großen Teil in Reykjavik drehen wollten. Es traf sich gut, dass wir uns auch auf den ersten Blick in den Kurort-Flair und die sozialistisch anmutende Architektur der Stadt verliebt haben.

Modabot: Wir kennen dich hauptsächlich als Fashionfilm Director mit deinen Arbeiten für Esther Perbandt, Ethel Vaughn, Anna Fuchs oder Perret Schaad. Wie kam es zu dem Ausflug in das Musik-Genre und welchen Unterschied siehst du zwischen einem Musik- und einem Fashionshort? War es dein erstes Musikvideo?

Cristian: Ich habe bereits ein paar Musikvideos gedreht, aber es stimmt, dass ich mich in diesem Genre eher rar mache. Eine große Herausforderung ist, dass ich eine emotionale Beziehung zur Musik haben muss, um das visuell inspiriert umsetzen zu können. Ohne diese Beziehung wird es schwierig, da auch das Budget (das meist relativ überschaubar ist) das emotionale Manko nicht ersetzen kann. Ich hatte zuletzt häufiger Anfragen und ich denke es wird nächstes Jahr mehr Musikvideos von mir geben, wenn auch eher für ausländische Bands.
Was den kreativen, konzeptionellen Prozess angeht, sehe ich keinen fundamentalen Unterschied zwischen Musik und Fashion. Es kommt ja immer auf den einzelnen Kunden an. Der eine ist mutiger, vertrauensvoller, „in love with newness“ – der andere eben nicht. Es ist aber klar, dass der Fashion Film in der Umsetzung und Auswertung anders funktioniert. Es gibt andere Ansprüche an die Ästhetik und an das Dekorum und da es ein gebrandeter Film ist, muss man auch immer die Verwertbarkeit des Filmes für die Marke im Hinterkopf behalten. Da ist man bei einem Musikvideo unter Umständen von befreit, wenn man es nicht gerade mit großen Popstars zu tun hat, die selber wie Brands vermarktet werden.

Modabot: Wie groß war die Rolle der Mode in “Forward”?

Cristian: Nicht sehr groß. Wir hatten ursprünglich geplant mit einem Isländischen Designer zusammenzuarbeiten, dessen Arbeit ich sehr mochte, haben uns aber letzten Endes dagegen entschieden. Extravagante Mode plus extravagante Landschaft, das wäre zu viel gewesen. Mir war das Greifbare und fast schon Banale an der ausserirdischen Bedrohung wichtig, deswegen haben wir uns auf eher profane, authentische Stylings konzentriert. Letztlich ging es eben primär um die Story und die haben wir mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln, inklusive der Mode, zum Ausdruck zu bringen versucht.

Modabot: Wie wichtig ist dir selber Mode und wie bist du überhaupt zum Fashionfilm gekommen?

Cristian: Ich mag Mode und habe immer wieder Phasen, wo ich in die Welt der Magazine, Blogs und Modeschauen eintauche – aber auch wieder auftauche. Es gibt dabei einige Brands wie Maison Martin Margiela oder Designer wie Gareth Pugh und Rick Owens die ich verfolge und deren visueller Output mich sehr inspiriert.

Modabot: Du warst einer der ersten deutschen Regisseure, der sich mit dem Genre Fashionfilm auseinandergesetzt hat – was hat sich von damals bis heute geändert und wie würdest du heute die Zukunft und Wichtigkeit des Fashionfilms beschreiben?

Cristian: Für mich persönlich ist der Neuigkeitswert nicht mehr so stark. Die Zuschauerzahlen für kurze Filme im Netz, inklusive der Modefilme, sind in der Breite  zurückgegangen. Das mag auch daran liegen, dass Bewegtbild insgesamt auf allen Kanälen, sowie die Qualität im alten Medium TV wieder zugenommen hat (siehe die etlichen HBO und AMC Serien).
Das liegt aber auch daran, dass der Fashion Film bzw. „Branded Short“ sich nur punktuell weiterentwickelt hat. Mir ist klar, dass hohe Production Values, ein bekanntes Gesicht oder das Spiel mit der Erotik immer einen gewissen Appeal haben werden. Aber um große Begeisterungswellen zu generieren, reicht das nicht mehr aus. Wir müssen wieder Geschichten erzählen, dabei durchaus auf gänzlich neue, experimentelle Narrationen setzen, aber in jedem Fall brauchen wir sie: die Narrationen. Die Tiefe. Das ist für mich die Zukunft des Fashion Films wie auch insgesamt des Metagenres „Branded Short“: emotionale plus inhaltliche Tiefe trifft auf formale Exzellenz. Das will ich selber sehen, da will ich auch mit meinen Arbeiten als Regisseur hin. „Game of Things“ oder das „Forward“-Video sind für mich Schritte in diese Richtung.

Modabot: Gegenüber dem Spiegel hast du in einem Interview von 2011 gesagt: „Ich mache, was Spaß bringt und cool aussieht“ – Gilt das immer noch?

Cristian: Aus dem Zusammenhang gerissen wirkt das Zitat dümmlich, weswegen es wohl auch zum Aufhänger wurde. Dieser Nebensatz bezog sich darauf, dass ich als Filmemacher eher aus einer intellektuell-inhaltsgetriebenen Tradition komme und deswegen zu diesem Zeitpunkt die Auseinandersetzung mit rein formalen, ästhetischen Ausdrucksformen als große Wohltat empfand. Das gilt noch immer, wobei mich die Vergangenheit eingeholt hat. Ich will jetzt beides: inhaltliche sowie formale Komplexität.

Modabot: Gefallen dir deine früheren Arbeiten heute auch noch oder bist du jemand, der sich nie zufrieden gibt oder sogar alte Filme heute ganz anders machen würde?

Cristian: Manches finde ich furchtbar, manches erstaunlich gut. So gut, dass ich mich wundere, wie ich das gemacht haben soll. Wobei „Ich“ stimmt beim Film sowieso nie, weil es ein kollektiver Prozess ist. Was ich allerdings feststelle ist, dass vor allem die Filme mit starkem Modebezug schneller „dated“ wirken. Das liegt nicht nur an der darin vorkommenden Mode, sondern auch an der Neigung des Fashionfilmes zur Exzentrik und formalen Grenzauslotung. Mit einigem Abstand wirkt das oft etwas angestrengt, wenn nicht anstregend.
Wir haben uns zurecht am Anfang von der Wildheit und brutalen Experimentalität der Modefotografie leiten lassen, jetzt muss man feststellen: Filme brauchen ein höheres Haltbarkeitsdatum, müssen durchdachter, zeitloser sein. Ohne den Zeitgeist und die Newness zu vernachlässigen, ein schwieriger Spagat. Aber das heisst nicht, dass ich mit den älteren Filmen unglücklich bin. Es erzeugt nur eben genau diese kreative Unruhe: ich will, ich muss, ich werde nachlegen.

Modabot: Welcher deiner Kurzfilme zählst du zu deinen Favoriten und warum?

Cristian: Meine frühen Kurzfilme „Weekend“ und „Das Theater der Großstadt“, beides 35mm-Celluloids, sind mir immer noch sehr wichtig. Von den „digitalen“ Fashion Filmen ist mir „Game of Things“ der liebste, wahrscheinlich auch weil er am ehesten einen Spielfilmcharakter hat. Und weil sein Erfolg mir ein paar Türen aufgemacht hat, die vorher verschlossen waren. Aber auch eine Arbeit wie „Monika“ steht mir nahe. Den Film habe ich letztes Jahr in meiner Geburtsstadt Bukarest auf Super8 gedreht. Ich bin weiterhin ein großer Fan von analogem Material. Kein programmierter Instagram-Algorhythmus kann das nachbilden, das ist unberechenbar, ist organisch, hat eine unglaubliche Aura. Dazu altern Celluloid-Filme einfach viel besser, sie setzen Patina an, verlieren etwas Farbe, man sieht ihnen das Alter an und es steht ihnen. Das ist wie bei Vinyl – Celluloid wird allen Unkenrufen zum Trotz nie aussterben. Was nicht heisst, dass ich mir nicht BluRays und MP3s kaufe, aber als Filmemacher würde ich am liebsten immer auf Film drehen.

Modabot: Was sind deine nächsten Pläne?

Cristian: Es sind einige Projekte im Gange, aber an erster Stelle steht mein Spielfilmdebut an. 2014 soll es endlich mit der Produktion losgehen. Wir sind noch dabei die Finanzierung auf die Beine zu stellen, was für einen Arthaus-Genrefilm nicht gerade einfach ist. Alle, die involviert sind, sind absolut von der Idee und der Story überzeugt und wir haben schon einige namhaften Zusagen beim Cast, weswegen ich sehr optimistisch bezüglich einer baldigen Realisierung bin. Im Frühjahr wird zudem ein Comic erscheinen, das den Release der Velour Modular Ep begleiten soll. Das Comic ist die Umsetzung des „Forward“-Drehbuches, das ursprünglich weitaus epischer angelegt war. Ich werde im Laufe des Jahres noch ein paar sorgfältig ausgewählte Fashion- und Musikvideoprojekte machen, um den kreativen Geist wach zu halten. Dazu ein neues Business und kommerzielle Aufträge… 2014 will be packed.