Ein Mensch und die Maschinen – vom Aufstieg der Blogs

Mahret Kupka, F&ART Blog

Die Einladung von mehr als 60 europäischen Modebloggern im Januar 2008 zur Vorstellung der neuen Kampagne des Unterwäscheherstellers Passionata im Pariser „Crazy Horse“ war ein besonderes Ereignis.
Genau wie eine ähnliche Veranstaltung von Chanel im Jahr zuvor wurde der Event von den Agenturen BuzzParadise und CultureBuzz initiiert, die im Bereich der Neuen Medien neue Möglichkeiten für Unternehmen entwickeln, mit Kunden in Kontakt zu treten, und damit zu den Akteuren gehören, die die Medienwelt von morgen mitdefinieren.

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deutsche Blogger beim Passionata Event in Paris, v.l.n.r.: StilinBerlin, F&ART, Styles Report Berlin, fashion diary, off the record, Styleclicker, Whats New Dan?

In den klassischen Medien Print, TV und Radio gab und gibt es üblicherweise 2 Möglichkeiten, Information zu vermitteln: über den Kanal der Werbung, die mit einem Programm „mitgeliefert“ wird, und über eine Berichterstattung im redaktionellen Teil eines Programms, die entweder von den Redaktionen selbst initiiert, von externen Ereignissen vorgegeben, oder von interessierten Parteien wie beispielsweise PR-Agenturen vorgeschlagen wurde.
Mit dem Aufkommen des Internet und mit dem Heranwachsen einer Generation, deren Medienverhalten sich immer mehr an diesem Medium orientiert, verschwimmt jedoch diese lange Zeit aufrechterhaltene Trennung von „Inhalt + Werbung“.

Der Grund dafür ist die Entstehung neuer -interaktiver- Informations- und Kommunikationsformen, eines scheinbar kaum zu überblickenden Chaos von Konzepten, Formaten, Websites und Netzwerken, die den Nutzern weltweit zur Verfügung stehen, und in denen sich die alte Ordnung ausgesprochen altmodisch ausmacht.

Meinungsführer
In diesem Kosmos spielen Blogs eine zunehmend zentrale Rolle, doch was genau sind Blogs?
Im Grunde genommen nichts anderes als eine Person mit einem Anliegen und eine Software, die dessen Veröffentlichung im Internet höchst komfortabel macht.
Obwohl auch in Deutschland Blogs an Relevanz gewinnen, haben sie insbesondere in den angelsächsischen Ländern einen Siegeszug angetreten, der für viele im alten Denken verhaftete Menschen kaum zu glauben war.

Anfangs noch allseits belächelt, sind Blogs in den Händen von inspirierten und talentierten Schreibern aus allen Lebensbereichen heute eine respektierte Einflussgrösse geworden, die man im Marketingsprech als „Trendsetter“, oder „Opinion Leader“ bezeichnet.
Damit gewinnen sie nicht nur für besonders interessierte und proaktive Leser an Bedeutung, sondern auch für die Wirtschaft, die sich im Kampf um Aufmerksamkeit auch an sie wendet.

Blogs zeigen nun aber auch eine Tendenz auf, die wahrscheinlich die mediale Zukunft bedeutet: der zunehmende Shift zu subjektiver Information.
Dieses Phänomen wird im grossen Rahmen derzeit am besten vom rechtskonservativen amerikanischen Nachrichtensender FOX News repräsentiert, der sich nach Meinung von Beobachtern auf der einen Seite mit „Radauberichterstattung“ bekannt machte, und damit einen riesigen Erfolg beim Publikum erzielte, andererseits aber durch seine anders geartete Weltsicht -richtigerweise- auf die linksliberale Voreingenommenheit der etablierten „Mainstream Media“ mit ihrem Anspruch auf „Wahrheit“ hinwies, und damit eines der bestgehüteten Geheimnisse des Pressewesens offenbarte: die Illusion „objektiver“ Berichterstattung (hier und hier ).

Blogs scheinen im kleinen Rahmen voll im Mittelpunkt dieser Entwicklungen zu stehen, und viele Blogs, die trotz oder wegen ihrer fundierten „Meinung“ qualitativ wertvoll sind, entwickeln sich zu Leitmedien in ihren Gebieten, mit denen sich ihre Leser positiv identifizieren können.

Das gilt ganz besonders auch für Modeblogs und einige ausgewählte Bloggerinnen (hier meist Frauen), die zu eigenen Marken werden, wobei interessanterweise die Blogs etablierter Medienkonzerne bis auf Ausnahmen nicht die selbe „Credibility“ haben.
Aus diesem Grunde ist es nicht verwunderlich, dass Blogs zunehmend in das Blickfeld der Wirtschaft und der Werbung geraten.

So waren die Aktionen von Passionata (zu der auch modabot eingeladen war) und Chanel ein eindeutiger Hinweis auf die Bedeutung der Blogs und -historisch gesehen- der Beginn einer neuen Phase einer Entwicklung, die mit Akkreditierungen und Einladungen zu Shows begann, und von der niemand sagen kann, wo sie endet.

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Blogger aus den Niederlanden, Frankreich, Belgien

Insgesamt waren mehr als 60 Blogger bei Passionata eingeladen, was die Frage aufwirft, ob sich diese PR-Investition lohnt; zwar haben diese Blogs insgesamt weniger Leser als etablierte Modemagazine, aber sie sind sicherlich die Zukunft.

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Passionata Show Video

Eine Zukunft, die jedoch mit einigen Fragezeichen behaftet ist, insbesondere dem Problem, wie sich die heute so geschätzte Trennung von „redaktionellem“ und „Werbeinhalt“ aufrechterhalten lässt, wenn Blogger, die diese Tätigkeit üblicherweise nebenberuflich ausüben, hochattraktive Leistungen erhalten.
Einschränkenderweise muss im Bereich des „Modejournalismus“ gefragt werden, ob diese Trennung je deutlich existierte.

„Company of One“
Das angesprochene Problem steht im direkten Zusammenhang mit einer Frage, die sich viele Blogger immer häufiger stellen:
gibt es eine Möglichkeit davon zu leben?

Diese Frage kann derzeit nur schwer beantwortet werden, es gibt jedoch in anderen Bereichen Blogger, die insbesondere mit Werbung sehr viel Geld verdienen.
Aber: so wie die Open-Source Bloggingsoftware den Medienmarkt neu erfindet und ganze Imperien wanken lässt, so gibt es neben der Werbung auch die sehr reale Möglichkeit, über zukünftige Vermarktungstools Geld zu verdienen, die die momentanen Möglichkeiten stark erweitern werden.
So könnte es, abgesehen von der praktischen Nützlichkeit des Bloggens als Referenz für „echte Jobs“, in der Folge geschehen, dass viele ambitionierte Blogger, die diese Tätigkeit nicht mehr nur als interessante Freizeitaktivität betrachten, und zu einer „Company of One“ werden, mit Infrastrukturkosten, die gegen Null gehen.

Dabei ist klar, dass es nur die besten bzw. relevantesten Blogs schaffen werden, genug Wert zu schaffen, um ihn in Geld zu übersetzen, die derzeitige Situation sollte jedoch nicht der Maßstab dafür sein, was in Zukunft möglich ist.

pd_modabot

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