Island Special Teil 5 – Islands außergewöhnlichstes Talent: Sruli Recht im Interview

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Sruli Recht

Sruli Recht ist ein Freigeist wie er im Buche steht. Seine Kreativität scheint unerschöpflich und seine Produkte sind eine Gratwanderung zwischen Konsumgut und Ausstellungsstück. Zweimal im Jahr gibt es eine Kollektion bestimmter Produkte (beim letzten Mal Schuhe, beim nächsten Taschen) begleitet von einem monatlichen Non-Product.
Dazu zählen Ringe mit austauschbaren Rohdiamanten, eine Luftfiltermaske oder ein Glasschreiber aus Karbon mit Diamantspitze.

recht schuhe

recht ring

Recht graduierte am Royal Melbourne Institute of Technology mit einem Fashion Design Bachelor im Jahre 2002, 2005 bekam er einen Honors Degree.
Er war als Showpiece- und Schnittmacher für Alexander McQueen tätig und seine Arbeiten werden regelmäßig in der ganzen Welt ausgestellt, zuletzt in Uncomfortable Conversations im Rahmen der New York Design Week. Recht beschreibt sich selbst als „broken seabird“, der von Jerusalem nach Südafrika über Australien nach Island migrierte. Dort scheint er nun ein Zuhause gefunden zu haben, wie er selbst sagt.
Vor Kurzem hat er geheiratet.

Was bedeutet Dir Island und was bedeutet es für Dich, ein isländischer Designer zu sein?
Das sind zwei sehr unterschiedliche Fragen in Einer. Ich lebe jetzt seit viereinhalb Jahren hier und bin hier mehr Zuhause als irgendwo sonst. Ich bin kein Isländer, aber dennoch ist diese Peripherie, diese abstrakt-ländliche High-Tech Stadt irgendwie mein Zuhause.
Hier zu sein hatte den größten Einfluss auf mich und was ich gemacht habe, aber noch wichtiger, auf das, was ich mache und vorhabe zu tun.

recht maske

Das, was mich wirklich dazu gebracht hat hierzubleiben, war die Herausforderung im Design – es gibt sehr wenige natürliche Ressourcen abgesehen von Leder und grober Wolle.
Island stellt eine ziemliche Einschränkung im Design dar, aber dadurch bin ich auf Ideen gekommen, die mir niemals eingefallen wären, wenn ich in New York City leben würde und 24 Stunden am Tag zu Allem Zugang hätte. Es bedingt sowohl die Produktion, die so lokal wie möglich ist oder sogar im eigenen Haus stattfindet, als auch den Fokus auf einheimisches Rohmaterial.
Ich arbeite nicht nur mit isländischer Wolle und Pferdeleder, weil ich es so mag. Es ist hier einfach so, dass wenn du mit etwas anderem arbeiten willst, du es importieren musst. Und das ist fast unmöglich wegen der Importzölle. Aber irgendwie ist das auch ein heimlicher Segen.

Was ist an isländischem Stil Deiner Meinung nach besonders?
Ich bin mir nicht sicher, ob daran etwas anders ist als im Rest der Welt. Style ist heute doch überall homogen.
Visuelle Information ist online auf der ganzen Welt verfügbar, Island ist da nur eine kleinere Kontrollgruppe.

Seit wann existiert Dein Label und wann hast Du entschieden, Designer zu werden?
Man kann sagen, dass meine Firma etwa seit 2007 in der Art existiert, wie sie jetzt ist. Bei der Antwort bin ich mir auch nicht so sicher, weil sich ja alles ständig ändert.
Angefangen, Mode zu designen, habe ich mit 17. Ich bin ein Idealist.
Ich will das, was ich nicht haben kann und wenn ich etwas will das es noch nicht gibt, dann muss ich es eben selbst machen.

Hast Du eine spezielle Philosophie?
Mach nur das, woran Du glaubst. Sonst gibt es keine Regeln. Es ist gefährlich, zu überdefinieren, was Du tust. Ich möchte nicht in eine Schublade gesteckt werden, aber auch nicht Dinge anders machen, nur um anders zu sein.
Ironie, Aggression und soziale Kommentare treffen vielleicht am ehesten meine Philosophie.

Was war die Inspiration für Deine aktuelle Kollektion?
Beim Reykjavik Fashion Festival haben wir den neuen Film Garrote anstatt einer Standard-Modeschau gezeigt. Garrote ist sowohl ein Film, als auch eine Halskette aus isländischer Vulkanlava, geformt in kleine Skarabäen, magnetisiert und an einem Kupfer-Klavierseil aufgezogen.
Der Auslöser für diesen Film, wie mit allem im Studio, kam von etwas, das ich einfach machen musste, weil es das noch nicht gab.

Ich musste es schaffen, die verschiedenen Designaspekte der Kette und ihrer Geschichte rüberzubringen und mir war klar, dass das mit Fotografie nicht zu erreichen war. In den letzten sechs Monaten hatte ich meine Produkte mit Marino Thorlacius geshootet. Seine großformatigen Bilder sind fantastisch und wir diskutierten lange über die perfekte Inszenierung, doch nichts schien zu passen.
Am Neujahrsabend lag ich im Bett wollte ein Nickerchen machen, bevor wir ausgingen… aber alles woran ich denken konnte war: „Wie kann ich diese Halskette inszenieren?“ Ich dachte darüber nach, welche Dynamik das Endprodukt haben sollte und weil ich diese Bewegungen und eine Story vor mir sah, wurde mir plötzlich klar, dass es ein Film werden musste. Nur so konnte ich all diese scheinbar unvereinbaren Gedanken zusammenbringen.

recht garrote still
Garrote Film Still

In dem Video geht es um einen physischen Dialog zwischen zwei Menschen. Eine Konversation über die Rollen von Macht und Kontrolle beim Sex. Da ist diese Frau, ein Lockvogel, alleine, geschmückt und aufreizend angezogen, verführerisch.
Die Halskette bemerkt man zuerst nicht, aber sie ist der Köder… oder der Stachel einer Biene: um ihr Gegenüber anzulocken muss sie sie benutzen, was aber auch heißt, von ihr kontrolliert zu werden und letzendlich vielleicht von ihr zerstört zu werden.
Hier ist ein Excerpt des Sripts, das ich für den Film geschrieben habe:
„With magnetic attraction stands this woman. A lure. Almost adorned.
Alone, aligned, and still but for her pulse.
Clack goes the rhythm as her necklace swings.
Snap goes the jewellery and around her neck it is laced.
Hard and rapid snaps the wire against her neck and dust explodes from the speed.
It is a struggle. It is arms flailing, breaking through the clouds… and all this time, just two tight white hands. Fast and stuck. Holding that chain.
A grip that doesn’t budge even as her hand pry, slap, slip and scrape.
And comes now the gasps. It has been just long enough that she notices the effect of this choke – she can’t breathe. Throwing her head from side to side, saliva forms a gentle arc through the dust cloud as time stands still for her.
He won’t move.
Her struggle becomes frantic. Her veins, they pop. Her tongue, it writhes.

It is now elbows flying and smacking into his ribs. Near silent claps make their entrance as she pummels his ribs one after another. His flesh ripples like gelatine as her bones hit him.
But tighter he pulls SNAP. Her neck shows wear.
Struggle struggle struggle grapple wrestle scuffle brawl slap slam slam SLAM

He loses grip on a beetle and it makes its way back around her neck, tracing a low arc around her neck. Beetle one meets beetle two and they more or less say hello with their heads. Clack.
Though without much trouble these white hands of this hidden man reclaim them.
And thus, this dance of death ensues.

But it is somewhere around here the atmosphere changes. The intersected rapid chocking and slow languid flailing shifts – her hands grip and slide across his, her struggle away becomes a grind toward… and her choked wet coughs become almost pleasured gasps.
Slow sliding and slipping. Then they move, this slow sensual wave of two together not against. It is here in this transition her role is achieved, finalised and sealed.
And like a bee who has used its own only defence to protect itself only to die, slumps our woman… with that slight grin of menace and triumph on her face as her and her beetles fall. „

Die Halskette herzustellen war ein Prozess, der über ein Jahr gedauert hat:
Páll Einarsson modellierte die Skarabäen, ein alter Pianomacher drehte das Kupferseil in der richtigen Länge und Dicke, wir arbeiteten mit Sigurlina Osuala mehrere Monate, um die richtige Lavaerde zu finden.
Snorri Már Snorrason entwickelte eine Box, aus der beim Aufklappen ein Hals hervortritt, um den die Kette liegt. So viele Menschen für nur eine Halskette, beziehungsweise eine limitierte Auflage von zehn Stück.

recht garrote
Garrote Kette

Aber vor allem war es ein Experiment, um herauszufinden, ob eine visuellle Narrative das geeignete Medium ist, um Design zu präsentieren, und ich denke, das ist es, und die Arbeit hat sich gelohnt.

Text/Interview: Barbara Russ

Garrote kostet 320€ und ist online bestellbar, wie auch die anderen (Kunst-)werke von Sruli Recht

GARROTE – Sruli Recht, is a film performed by Heba Eir Jónasdóttir Kjeld and River Carmalt
Director – HeimirSverrisson www.heimirsverrisson.com
Creative Director – SruliRecht
Editor – Steffi Thors http://is.linkedin.com/in/steffithors
Choreographer – Erna Omarsdottir www.ernaomarsdottir.com
Sound – Ben Frost www.ethermachines.com
Director Of Photography – Tomas Tomasson
Assistant Director – Bui Baldvinsson
Special Effects – Aron Bergmann Magnússon
Costume Design – SruliRecht Studio
Storyboard Artist – B. Borkur Eiriksson www.borkurart.com
Wardrobe assistant – Andrea Sisson
Dolly – FriðrikGrétarsson
With special thanks to Megan Herbert, Lise Capet, Filmus, AddiKnutsson and HannesBjörgvinsson.
Filmed at Latibær Studio on the Red One camera
Recorded at the Greenhouse

Photo Credits: Marino Thorlacius

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