Superhelden und Mode – ein Leben in Technicolors

Viktor and Rolf Phoenix inspired Outfit

Viktor and Rolf Phoenix inspired Outfit

Seit Jahrzehnten haben die Superhelden das Boxoffice der Kinos fest in ihrer Hand. Kein Wunder, dass sie in der Mode auch ihren Fingerabdruck hinterlassen haben. Sei es als Inspirationsquelle für Modemacher oder als Anregung für technologische Innovationen, die Heroen der Postmoderne sind eine Metapher für das menschliche Dasein, die ewige Suche nach Verbesserung. Das Mittel ihrer Wahl dafür: Kleidung.

Einen klaren Beginn der Koexistenz zwischen Mode und Superhelden zu finden ist schwer. Wenn man hingegen historisch an die Entwicklung der Helden heran geht, beginnt man, die Faszination der Modemenschen für die kostümierten Rächer zu verstehen.

Von Clark zu Superman (via CW)

Von Clark zu Superman (via CW)

Die Geschichte des Comic-Superhelden teilt sich in 4 Epochen ein: die goldene, silberne und bronzene Ära und die Postmoderne.
Die goldene Ära begann 1938 mit Jerry Siegel und Joe Shuster, die Superman erschufen. Dieser gilt bis heute als Prototyp des Superhelden, vereint er doch alle wichtigsten Ingredienzen: geheime Identität, Superkräfte und ein buntes Kostüm.
Nach Superman erschienen dann bei DC-Comics die anderen großen Helden, wie Wonder Woman, Batman oder Martian Manhunter. Wärend und nach dem zweiten Weltkrieg gewannen die Superhelden so viel Zuspruch bei der Bevölkerung, dass in den Fünfzigern der Senat den Comics Code verabschiedete, der Verleger verpflichtete, beispielsweise auf Nacktheit der Figuren oder gewisse Worte zu verzichten, um die Jugend nicht „zu verderben“.

Fashion Superheroes by Luisa Via Roma (via  Luisaviaroma.com)

Fashion Superheroes by Luisa Via Roma (via Luisaviaroma.com)

Die silberne Ära des Comics kam mit legendären Autoren wie Stan Lee, Jak Kirby oder Bill Everest. Diese veröffentlichten Buchreihen mit erwachseneren und nuancierteren Helden wie zum Beispiel die Fantastic 4 (1961), Spiderman, Thor oder The X-ten.

In der bronzenen Ära der Comics wurden die Helden auseinandergenommen. Batman war nichts mehr als ein gefolterter Vigilant, Wonder Woman verlor ihre Kräfte und Green Arrow wurde zu einem zynischen Kapitalismuskritiker der hie und da unter den Einfluss von Drogen stand. (oder kurz: Batman wird entmachtet, Wonder Woman zum Opfer und Green Arrow ein Junkie – die Superhelden bekamen einen Reality Check der Civil Rights Bewegung)

Lynda Carter als Wonder Woman

Lynda Carter als Wonder Woman

Zehn Jahre warteten die Helden auf ihr Comeback. Den Umschwung brachten die Watchmen und die Dark Knight Serie von Batman. Die Comics waren voll Anti-Helden, deren Kostüme dunkler wurden und deren innere Konflikte tiefgreifender. Den Höhepunkt der „grim-and-gritty“-Phase erreichte diese, als der Joker Robin vor Batmans Augen ermordete.

Alexander McQueen Mystic inspired Outfits (via gagafashionland)

Alexander McQueen Mystic inspired Outfits (via gagafashionland)

Die Superhelden wurden also über die Jahre mehr als nur eine schöne Zeitbeschäftigung für Jungs, sondern entwickelten sich zum Sprachrohr für soziale und politische Missstände. Ähnliches passierte auch mit der Mode: Die Designer hatten die glänzenden Illusionen der bisherigen Mode satt. Die „Anti-Fashion“-Bewegung, der sich Modemacher wie Hussein Chalayan und Jean-Paul Gaultier verschrieben, war ein direkter Angriff auf das Beschönigenen der Wirklichkeit, eine Gesellschaftskritik.

Aber nicht nur die Entwicklung der beiden Branchen ähnelt sich stark. Die Wahl der Kostüme und die Veränderungen in der Persönlichkeit der Helden durch die Bekleidung ist eigentlich nur eine Überzeichnung dessen, was die Mode tagtäglich für jeden Menschen tut: Sie schützt, versteckt, verändert den Menschen.

Peter McNuerney Superheroes Make-Over (via designyoutrust)

Peter McNuerney Superheroes Make-Over (via designyoutrust)

Auch bei den Superhelden, genau wie in der Mode, übernimmt die Kleidung die Funktion von Abgrenzung und Zugehörigkeit. Die X-Men signalisieren mit ihren Uniformen Gruppenzugehörigkeit, Einzelkämpfer wie Batman heben sich von anderen ab. Nicht umsonst verkleiden sich kleine Kinder gerne wie sie. Die Uniformen verleihen ihnen ihre Kräfte, bestärken sie, oder signalisieren ganz einfach eine Geisteshaltung. Clark Kent könnte genauso kämpfen wie Superman. Die Kleidung, und damit die Rolle, in der er steckt, lassen aber nur jeweils eine der beiden Persönlichkeiten zu.

Craig McDean for Vogue (via trendland)

Craig McDean for Vogue (via trendland)

Bei anderen Helden ist das Aussehen ihrer Anzüge zweitrangig. Sehr viel wichtiger ist die Funktionalität des Teiles – ja sogar Superhelden müssen mal pragmatisch denken. The Human Touch kann zum Beispiel nur Hitze und Feuer beständige Klamotten tragen, The Flashs Anzug muss extremer Reibung Stand halten und zu Iron Man muss man an der Stelle nichts sagen. Diese ganzen technologischen Innovationen die Stan Lee und Co sich ausgedacht haben, werden immer wieder durch Textilforscher ins reale Leben gerufen, beschäftigen Generationen von Bekleidungstechnikern und Chemikern, die die gewünschten Eigenschaften eines Kleidungsstückes Realität werden lassen. Man denke nur an den Spinnenfaden, den Spiderman so geschickt in sein Kostüm integriert hat, und der längst als der goldene Gral der Textiltechniker geworden ist.

Die Comichelden sind in unserer Kultur so stark integriert, dass sie auch immer wieder als Inspirationsquellen für Designer dienen. Sei es als Muse für eine Kollektion oder durch die Gestaltung der Filmkostüme von gefeierten Designern. Und spätestens nach der Ausstellung 2008 im Metropolitan Museum of Art in New York weiß man, dass beide Disziplinen sich gegenseitig befruchten.

Jeremy Scott SS 2011

Jeremy Scott SS 2011

Das Kostüm der Superhelden, es ist die Essenz unserer Alltagskleidung: sie gibt uns Kraft, den Tag zu meistern, sie kann uns Selbstvertrauen und Mut geben, kann aber auch, wenn falsch getragen oder am falschen Ort, wie Kryptonit auf unsere Selbstsicherheit wirken.
Die Kleidung ist der erste Schritt des Transhumanismus, eine bewusste Erweiterung, Verbesserung des Menschen. Wir sind das einzige Lebewesen auf diesem Planeten, das die eigenen biologischen Grenzen nicht akzeptiert, sich selbst psychisch und physisch ständig verbessert. Kleidung ist die zweite Haut des Menschen, ein Mittel zur Selbstverwirklichung, zur Optimierung. Die Superhelden, das sind wir.