Otto von Busch – Vision eines partizipatorischen Modesystems

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Der Schwede Otto von Busch ist kein Freund des Modesystems. Doch anstatt bestehende Strukturen zu untergraben, beginnt er in diversen Projekten mit dem bestehenden Netzwerk zu arbeiten. Er interpretiert Codes, schreibt sie um, fügt hinzu und schleust sie wieder in das System ein, mit dem Ziel die akzeptierende Passivität des Konsumenten in Bezug auf Entstehung der zu erwerbenden Produkte durch einen kritischen Aktivismus zu ersetzen.

Von Busch hat Design und Kunsttheorie studiert und promoviert derzeit mit seinem Projekt „self_passage“ im Fachbereich „kritische Modetheorie“ an der Universität in Göteborg, Schweden.

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Im populären Sprachgebrauch versteht man unter „Hacking“ das unerlaubte Eindringen in fremde Computer- und Netzwerksysteme. Demnach sind die so genannten „Hacker“ Individuen, die sich mit Sicherheitsmechanismen auseinandersetzen und diese entweder brechen oder für eigene Zwecke nutzbar machen.

Bei Otto von Buschs Open Source Modelabel „self_passage“ ist das ähnlich, nur dass er sich nicht mit elektronischer Datenverarbeitung befasst, sondern mit Mode.
„self_passage“ ist Ausgangspunkt zahlreicher kritischer Projekte, die Mythen, Methoden und Weisen des Modesystems aufdecken und analysieren, um diese anschließend abzukürzen, zu verändern und zu individualisieren, dabei aber gleichzeitig Mode bleiben.
Von Busch versteht sein „Hacking“ somit nicht als subversiven Akt, sondern vielmehr als eine Art Kollaboration, als „subconstructive“. Anstatt bewusst gegen das eingefahrene System der Mode zu operieren, es gar als versklavend zu boykottieren, arbeitet er die „magical processes“ heraus, die Stärke, das Begehren, das dem Modetragenden ermöglicht, über sich selbst hinaus zu wachsen, mehr zu machen aus seiner Persönlichkeit.

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Fashion Map

Für von Busch ist Mode kein hierarchisches System, sondern vielmehr ein Netzwerk, bestehend aus miteinander verwobenen, komplexen Schichten von Parallelsystemen. Wo die Mode einst klar in „in“ and „out“ separiert werden konnte, besteht heute seiner Ansicht nach nicht nur eine Vermischung von „high“ und „low“, „Zentrum“ und „Peripherie“, sondern auch von „Oberflächlichkeit“ und „Tiefe“.
Anstatt eines zentralen Punktes „dictating to the masses“, existieren nun diverse Kräfte, beeinflusst von zahlreichen Modezentren, Streetstyle und Web 2.0, gespickt mit einem gestiegenen Modeinteresse eines zunehmend informierten Publikums.
Dieses breit gefächerte Netzwerk bietet die Möglichkeit, die auf dem gewohnten Weg des Modesystems gesendeten Codes abzufangen, umzuschreiben, um sie anschließend wieder einzuspeisen, das System zu „hacken“ – ein Wechsel vom passiven Konsumentendasein zum kritisch aktiven Co-Autorentum, zur Partizipation.

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Disneyland can wait

Auf der diesjährigen Fashiontradeshow „+46″ in Stockholm stellte Otto von Busch erstmals seine „Abstract Accessories“ Kollektion vor.
Diese faktisch abstrakten Accessoires versteht er als „opposite of pret-a-porter“, als „hacking applications“, Anleitungen, Werkzeuge, die den Träger herausfordern, sich kritisch mit seiner zweiten Haut auseinanderzusetzen, mit den Codes und Funktionsweisen von Mode, um bestenfalls zu einer persönlichen, positiven Aussage zu gelangen.
Dabei ist das Produkt selbst ist nicht das Objekt, sondern die Methode. Als Teil der „Abstract Accessories“ Kollektion ist das „Disneyland can wait Cookbook“ beispielsweise eine Art Handbuch, das gleich einem Kochbuch Zutaten auflistet und deren Zubereitung Schritt für Schritt erläutert, nicht aber als Anleitung verstanden werden will, sondern vielmehr als Weg und Inspiration, Neues und Eigenes zu schaffen.

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Garanti Gallery

Von Buschs jüngstes Projekt ist die Ausstellung „Hackers and Haute Couture Heretics“, die noch bis zum 11. Oktober 2007 in der Garanti Gallery in Istanbul zu sehen sein wird.
In einem fortdauernden Prozess erarbeiten die teilnehmenden Künstler und Designer in Workshops in Kooperation untereinander und mit den Workshopteilnehmern neue Wege des Operierens innerhalb des Modesystems.
Jeder Teilnehmer hat dabei eigene Herangehensweisen, Methoden, Erfahrungen und erforscht, wie diese manipuliert, unterwandert, umgangen, nutzbar gemacht bzw. „gehackt“ werden können.
Anstatt ein tieferes Verständnis von Mode zu bekommen, geht es vielmehr darum, mit der Kleidung selbst zu arbeiten und mit den Qualitäten, die dieser innewohnen.

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VakkoVamp

Wesentlicher Bestandteil der Ausstellung ist die Kooperation mit dem türkischen Modelabel „Vakko“.
Bereits vor Beginn der Ausstellung „hackten“ Künstler und Designer im so genannten „VakkoVamp“ Projekt Produkte des exklusiven Labels. Die Hochglanz- und Lifestyleobjekte wurden umdesignt, um andere mögliche Seiten von Mode aufzuzeigen.
Dabei entstanden Entwürfe, die in Vakko-Kollektionen reintegriert und zu neuen Objekten der Begierde werden sollten. Was letztlich allerdings nicht realisiert werden konnte, wird nun in Form von Prototypen und Modefotostrecken in der Ausstellung präsentiert.
Dabei ist das tatsächliche Ergebnis von „VakkoVamp“ nicht so sehr eine Reihe von Modeentwürfen, sondern vielmehr eine Serie von Methoden, die als Inspirationsquelle zukünftiger (kollaborativer) Projekte dienen soll, die später auf seiner Website www.selfpassage.org ausführlich dokumentiert werden.
Dort finden sich auch weitere Anleitungen, die als Inspiration und Motivation zum Selbstagieren verstanden werden wollen. So beispielsweise das Projekt „Syntax/144″, das den Interessierten auffordert, ein „radikal demokratisches Modemagazin“ zu publizieren, um bestehende Kommunikationsstrukturen des Modesystems zu durchbrechen.

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Swap-O-Rama-Rama

Wie wichtig Otto von Busch die Partizipation als Reaktion auf passives Konsumverhalten ist, zeigt sich besonders in der Veranstaltung, die im Rahmen der Eröffnung der Istanbuler Ausstellung in Kooperation mit Istanbul Streetstyle stattfand. Unter dem Namen „Swap-O-Rama-Rama“ waren die Gäste aufgefordert, eine Tüte mit Kleidungsstücken, welche sie nicht mehr tragen möchten, als Eintrittskarte zur Vernissage mitzubringen.
Aus diesem Berg ungewollter Kleidung wurden an diesem Abend in Workshops neue Kleidungsstücke hergestellt, die anschließend auf einem Laufsteg präsentiert wurden.

Im Gegensatz zu herkömmlichen Gegenkulturbewegungen, die bestehende Strukturen zu untergraben versuchen, akzeptiert Otto von Busch das Modenetzwerk als gleichwertigen, ernstzunehmenden Partner. Ihm geht es nicht darum, eine entschiedene Gegenposition einzunehmen, er sucht vielmehr den kritischen Dialog und ist dabei immer auf der Suche nach einer Position jenseits von Pro und Contra.
Sein Ziel ist es, über Projekte und Interaktionen eine dritte Herangehensweise zu finden, die eine Brücke schlägt und Annäherungen über die Nahtstellen des verwobenen, vielschichtigen Systems ermöglicht.
Was seine Annäherung an die Mode und seine Positionierungsversuche von sehr ähnlich arbeitenden Designern wie Martin Margiela, Jun Takahashi (Undercover) oder Hussein Chalayan – um nur einige zu nennen – unterscheidet, ist der offene Arbeitsprozess indem zum einen zahlreiche Partizipierende und ihre Vorstellungen zusammenkommen und zum anderen das bewusste Wiedererarbeiten und Reinterpretieren von Form, Produktion und Autorenschaft einer originalen Vorlage eine zentrale Rolle spielt.

Mahret Kupka

Mahret Kupka ist Kunstwissenschaftlerin und Herausgeberin des F&ART Blogs.

Links
www.selfpassage.org ‚ offizielle Website von Otto von Busch
Abstract Hacktivism: the making of a hacker culture ‚ Buch von Otto von Busch (pdf)
www.vakko.com ‚ offizielle Website des Modelabels
Informationen zu VakkoVamps
Informationen zu Hacker and Couture Heretics
www.istanbulstreetstyle.com ‚ kollaborierten mit Otto von Busch beim Swap-O-Rama-Rama zur Eröffnung der Ausstellung in der Garanti Gallery in Istanbul
„Disneyland can wait“ ‚ Anleitung (pdf)
Link zu den gesammelten Methoden
Interview mit Otto von Busch mit „we make money not art“

siehe auch
Hacking Couture – die Entschlüsselung der Marke
Andrea Crews – Fashion Art Activism
Schöne neue Medienwelt – wie das Internet das Modeuniversum verändert