In Between Poses – Fotograf Lukas Gansterer im Interview

gansterer bfw
Lukas Gansterer in der projektGalerie Berlin Juli 2009

Der Fotograf Lukas Gansterer, in Österreich seit längerem bekannt, hat mit der Kampagne für die Kollaboration „Wendy & Jim & DJ Hell“ ein grösseres Publikum auf sich aufmerksam gemacht.
modabot unterhielt sich mit ihm über die Verbindung zu Wendy & Jim im Besonderen und seine Arbeit im Allgemeinen.

Lukas, erzähl bitte etwas über deinen persönlichen Werdegang
OK, geboren wurde ich 1984 in Hainburg an der Donau, mit 16 bin ich nach Wien gezogen. Nach der Matura/Abitur habe ich kurz Theater-, Film- und Medienwissenschaft als Alibistudium betrieben;
Währenddessen arbeitete ich an meinem Portfolio, und habe dann auf der Werbeakademie Wien das Grafikdesignkolleg besucht.
Zu fotografieren habe ich schon ein paar Jahre davor begonnen, damals als Hobby z.B. beim Skaten, durch die grafische Ausbildung kam dann eine intensivere Beschäftigung mit dem Thema dazu.

Kurz nachdem ich das Grafikdesignkolleg absolvierte, begleitete ich Wendy & Jim zu ihrer Show nach Paris, und fotografierte dort mehr aus Spass backstage und bei der Show ein wenig mit; nach meiner Rückkehr gab ich den beiden eine CD mit meinen Fotos, ein paar Wochen später riefen sie an, und meinten, sie hätten Fotos von mir veröffentlicht.
Es stellte sich heraus, es war das FRAME Magazine, eine Doppelseite in der 50. Ausgabe.
So entstand eine gute Freundschaft mit W&J und ich war plötzlich Fotograf.

gansterer wendyjim-07

Anfangs fotografierte ich hauptsächlich für Wendy & Jim, und dann eben Freunde, Bekannte, nach und nach haben sich andere Jobs und Projekte ergeben. Heute fotografiere ich fast ausschließlich und mache kaum noch Grafik.

Hattest du schon zu einem frühen Zeitpunkt ein Gefühl dafür, was Fotos ästhetisch anspruchsvoll macht?
Anfangs, mit 18, habe ich nicht wirklich realisiert, was qualitativ wertvolle Fotos ausmacht. Für mich gab es nur „spricht mich an“ oder „spricht mich nicht an“. Das galt sowohl für meine Arbeiten als auch für Arbeiten von anderen; natürlich gab es damals auch Fotos, die mich inspirierten, und welche, die es nicht getan haben.
Für meine Projekte habe ich immer nach Gefühl fotografiert. Die Meinung anderer hat mich in der Zeit nicht wirklich interessiert, für mich war es Spass zu fotografieren, deshalb habe ich damit begonnen.
Die Motivation heute ist nach wie vor dieselbe.

Wenn du zurückblickst, war dir bewusst, was du fotografisch machst, oder war das ein Prozess des „learning by doing?
Es gab verschiedene Phasen, anfangs war natürlich alles nur „learning by doing“. Durch meine grafische Ausbildung, Tipps von befreundeten Fotografen, usw. entstanden wichtige Erkenntnisse und ich eignete mir technisches Wissen an. Wenn Fotos völlig daneben gegangen sind, habe ich daraus gelernt, oft habe ich auch versucht mit Hilfe von Photoshop was anderes, neues daraus zu machen.

gansterer 04

Aber: wenn ein Foto schlecht ist, bleibt es nach wie vor schlecht, da hilft auch kein Photoshop. Wenn es Energie hat, und was zum Ausdruck bringt, dann kann es qualitativ auch trashig sein;

Kannst du die Ergebnisse deiner Arbeit kontrollieren?
Mittlerweile auf jeden Fall. Nach 3 Jahren sehr intensiven Fotografierens und nach Hunderten Jobs funktioniert das, oft gibt es aber Situationen, wo ich bewusst versuche, alles zu vergessen und eben nichts zu kontrollieren. Es gibt Fotografie in der Form, wo es nur um den Moment geht, den man einfängt, wo die Bildqualität nicht im Vordergrund stehen soll, sondern wo es darum geht, die Stärke des Motivs einzufangen.

gansterer wendyjim-04 gansterer wendyjim-06
Lukas Gansterer for Wendy & Jim & Hell

Was ist bei einem Shoot für dich die grösste Herausforderung?
Da gibt es viele verschiedene Dinge. Zeit spielt oft eine große Rolle, manchmal könnte man 3 Tage fotografieren, dann erst kommen die richtigen Fotos heraus; aber auch ein schlechtes Model, oder eine Location, die man nicht kannte, wo man aber fotografieren muss.
Jeder Job bzw. jedes Projekt ist eine neue Herausforderung und das ist auch gut so.

Was ist für dich Modefotografie?
Ist heutzutage schwierig zu sagen, für mich ist alles Modefotografie, sobald es irgendwie in den Kontext mit Mode gebracht wird, z.b. ein Architekturfoto in einem Mode-Lookbook, kann plötzlich zur Modefotografie werden.

Wie würdest du ein Modelabel inszenieren?
So wie bei all meinen Fotos würde ich versuchen, eine Verbindung zwischen Ästhetik, Härte und Ehrlichkeit / Echtheit zu schaffen.
Bei Fotos muss für mich eine Geschichte entstehen: wie kommt es zu dieser Situation, was passiert im nächsten Moment?
Was mir sehr lieb ist, sind eingefangene Posen, die im Wechsel von Pose zu Pose entstanden sind, der Punkt Dynamik ist für mich sehr wichtig, auch wenn es inszenierte Fotos sind, sollen die Posen „Dynamik“, „Bewegung“ haben. Auf diese Punkte lege ich grossen Wert.

gansterer vienna-boy
in between poses

Vielleicht würde ich noch spontaner fotografieren, um eine gewisse Echtheit der Fotos zu erhalten, was mir oft fehlt wenn ich Magazine durchblättere; Wenn ich selbst etwas übermässig inszeniere, mit komplettem Setaufbau, wo jedes Detail stimmt, versuche ich trotzdem einen Kontrast zu schaffen, wo Dinge „echt“ passieren.
Inszenierungen werden so zur „echten“ Welt, und das ist auch mein eigentlicher Anspruch; den Photos Glaubwürdigkeit zu geben.

lukasgansterer tafel-01

Wie wichtig ist für dich Mode?
Sicher erhält Mode für mich noch eine grössere Bedeutung, da ich damit Geld verdiene.
Wenn ich persönlich etwas anziehe, muss ich mich wohlfühlen, wenn ich andere modisch gekleidet sehe, muss ich ihnen glauben, dabei spielen Labels keine wichtige Rolle. Jemand kann mit Second Hand Kleidung super aussehen und in den neuesten Designeroutfits wie ein Clown im Zirkus wirken.

Welche Fotografen sind für dich von Bedeutung?
Nick Knight finde ich super; er ist extrem „future“, man sieht Bilder von ihm, und meint sie wären von 2003, und im Bildkommentar steht „1987“.
Helmut Newton finde ich gut, Terry Richardson und Jürgen Teller würde ich auch nennen,
Lindbergh und LaChapelle finde ich beispielsweise in ihren Inszenierungen sehr interessant.

Wie gehst du mit dem Thema Sexualität, Gewalt, Tabus in deiner Fotografie um?
Ich denke, Gewalt und Aggressivität ist in vielen meiner Arbeiten ein Thema, zum einen weil ich „Smile-Gesichter“ auf Fotos meist nicht so stark empfinde wie aggressive Posen. Aggressivitiät oder Provokation sehe ich auch sehr stark in Fotos, die ich für Wendy & Jim gemacht habe, und die mich auch in meinen eigenen Arbeiten beeinflusst haben.

gansterer 02 gansterer 03

Um einem Foto Stärke zu geben, ist das ein ganz gutes Werkzeug; natürlich kann auch ein Foto mit lachenden Gesichtern extrem stark sein. Wichtig ist, dass ein Gefühl vermittelt wird und der Betrachter in irgendeiner Form angesprochen wird.
Was den Sex angeht; Sex sells, nach wie vor. Vielleicht heute noch mehr denn je, auch wenn viele versuchen, es zu leugnen.

gansterer wendyjim-01
Lukas Gansterer for Wendy & Jim & Hell

Trotzdem muss man Sex nicht konkret zeigen, auch wenn ich kein Problem damit hab es zu tun, ich denke aber, dass man mit Dingen, die man nicht zeigt, oft einem Bild viel mehr Aussage gibt.
Wenn man alles gezeigt hat, wird es schwierig, eine Geschichte zu erzählen bzw. die Leute selbst zum Nachdenken zu bringen.

Welche Labels findest du modern?
Modern ist so eine Sache. Wirklich gutes Design ist anfangs oft avantgarde oder modern und nachdem sich die Menschen daran gewöhnt haben wird es zeitlos.
Jedenfalls sind meine Favoriten Wendy & Jim, Helmut Lang, Tom Ford, Hedi Slimane, Rick Owens, Yves Saint Laurent, Marc Jacobs, … ich spreche da natürlich von den Designern und nicht von den Labels.

Was würdest du gerne in 10 Jahren erreicht haben?
Schwierig zu sagen, es klingt arrogant, wenn man sagt, man sieht sich zwischen New York, London und Paris herumjetten; ich muss sagen, dass ich ganz zufrieden bin, wie sich die Dinge ergeben, und ich weiss, was mir widerfährt, zu schätzen.
Wenn ich solche Jobs, wie ich sie jetzt mache, auch in Zukunft mache, ist das ok; wenn sich noch mehr ergibt, super, und wenn man dann noch Millionen dafür bekommt, ist es wunderbar.

pd_modabot