Grenzgänger der Fotografie: Inez van Lamsweerde & Vinoodh Matadin


Inez & Vinoodh. Bild via.

Als Vorreiter der digitalen Fotografie sorgte das holländische Modefotografenduo Inez van Lamsweerde und Vinoodh Matadin Anfang der Neunziger für Furore. Die Geschichte der Beiden ist die einer künstlerischen Suche, leblose Bilder in Bewegung zu versetzen, zu manipulieren, um damit unendlich viele weitere Ausdrucksmöglichkeiten auszuschöpfen.


Pretty Much Everything. Bild via.  

Vinoodh Matadin (1961) und Inez van Lamsweerde (1963) lernten sich 1986 in ihrer Geburtstadt Amsterdam kennen. Die Fotodesignstudentin wurde zum Fotografieren seiner ersten Modekollektion engagiert, seit dieser Kooperation gehen sie sowohl beruflich als auch privat gemeinsame Wege.  Das Paar gilt seither als ikonisches Dreamteam der Modefotografie, sie erforschen die Grenze der Realität und schaffen seit über zwei Jahrzehnten einen Spagat zwischen Kunst und Kommerz der in gleichem Maße provoziert wie begeistert.


Vinoodh Matadin für Fantastic Man, Inez van Lamsweerde für Gentlewoman. Bilder via und via.

Zu ihrem Durchbruch verhalf 1993 die Fotoserie Final Fantasy, um die Frage nach dem Kind als Symbol der Unschuld, inspiriert durch den Heroin Chic Hype um Kate Moss. Mit einer gezielten Grenzüberschreitung sorgte die Arbeit für einen regelrechten Schock: Kleinkinder in koketten Posen, unschuldig und beängstigend zugleich. Die Bilder von Lamsweerde & Matadin lösen oft Unbehagen aus. Erst bei genaueren Betrachten bemerkt man eine Manipulation, dass irgendetwas nicht stimmt.

Während bei der Kindfrau Wendy nicht nur die Haltung, sondern auch der Ausdruck irritiert, zeigt die Arbeit um Thank You Thighmaster lebensgroße Puppenfrauen ohne Genitalien. Das Punktum der fotografischen Werke des Duos liegt in diesen Manipulationen. Ob nun Erwachsenenaugen in Kinderportraits gesetzt, Personen aus einer Szene eliminiert oder Geschlecht und Hautfarbe verändert werden – das Duo arbeitet nicht nur gern mit der Computermanipulation am Bild, sondern macht sie den Betrachtern auch bewusst.


Final Fantasy Wendy 1993. Bild via.

Die Arbeiten des Paares erscheinen in bekannten Zeitschriften wie Vogue, Haper’s Bazaar, V Magazine oder The New York Times Magazine und sie zeichnen sich für Werbekampagnen exklusiver Kunden verantwortlich, darunter Balenciaga, Balmain, Chloé, Yves Saint Laurent und viele mehr. Die Gestaltung des Pirelli Kalenders wurde 2006 von ihnen übernommen, wo sie mit ihren Starportraits von Sophia Loren, Tilda Swinton, Mickey Rourke oder Nathalie Portman beeindrucken.

Ihre Referenzen lesen sich dabei wie das Who is Who der Modebranche und ihre Fotografien scheinen mühelos zwischen den Welten zu navigieren. Ob in Galerien oder Modemagazinen, für die Elite oder dem Massenmarkt, ihre Bilder können überall andocken. Mit Wohnsitz in New York und Paris erfinden sie mit einer Leichtigkeit die Mode- und Kunstfotografie immer wieder neu und stoßen damit in beiden Branchen auf großen Respekt.

Das innovative Dreamteam genießt mit ihren unvergesslichen Bildern Kultstatus und kommentiert das Zeitgeschehen nicht nur von außen; sie sind selbst ein Teil des Systems geworden. Mittlerweile sind die digitalen Manipulationen subtiler und die beiden entwickelten ihre eigene künstlerische Sprache. „I don’t see fashion as most people do – as something separate, reduced to seasonal hemlines (…) it’s always with me inside, like a language.“ (Inez van Lamsweerde)

Ihre Sprache ist die Fotografie, die Stillstand nicht zulässt, daher war der Schritt zum Film nur die logische Konsequenz ihrer Entwicklung. Auch ist es kein Zufall, das die beiden in Lady Gaga ihre Muse fanden. Die Ausnahmekünstlerin mit Hang zur Exzentrik und Vorliebe für Rollenspiele stand neben diversen Fotoproduktionen für fünf eigene Fashionfilme vor der Linse des Duos, für die sie keine Scheu hatte, in neue Identitäten zu schlüpfen. Auch Inez selbst experimentiert gerne mit dem Frauenbild und zeigt sich mit Bart, den sie auch schon Kate Moss und anderen Prominenten angebracht hat.

In der dreibändigen Fotoreihe Pretty Much Everything (1985 – 2010) versammelte man mit einer Retrospektive mit über 666 Fotos fast die gesamte Arbeit der beiden Fotografen. Die Gestaltung verantwortete der Artdirektor von M/M (Paris), ein langjähriger Partner der beiden mit dem bereits Projekte wie das Björk Portrait oder Werbekampagnen für Givenchy realisiert wurden. Die erste gemeinsame Kampagne für Yohji Yamamoto zählt man zu einem wichtigen Beitrag in der Geschichte der Modefotografie.

www.inezandvinoodh.com