The Rules of Comeback – Petition gegen John Galliano

John Galliano, The Rules of Comeback

John Galliano, The Rules of Comeback

Die Regeln sind eigentlich klar: Personen, die in der Öffentlichkeit stehen, dürfen sich Ausrutscher erlauben, müssen es teils sogar, um im Gespräch zu bleiben. Vieles wird verziehen, kann der Karriere gar förderlich sein, sie aber auch zerstören – man denke an Lindsay Lohan, Charlie Sheen oder Britney Spears.
Was einem Skandal folgt sind die goldenen Regeln der Comeback-PR: öffentliche Reue, Rehab, und schließlich Rehabilitation – bis zum nächsten Rückfall.
2011 fiel John Galliano mit antisemitischen Äußerungen öffentlich in Ungnade, nun ist er als Professor am Parsons Institute in New York angekündigt (wir berichteten), einige Studierende wehren sich jedoch mit einer Petition dagegen. 

Die Sache mit John Galliano verhält sich ein wenig anders als die üblichen Vergehen der Promis: er hat eines der ultimativen Tabus gebrochen. Antisemitismus ist von allen öffentlichen Vergehen wohl das Schlimmste. Es folgte der Rausschmiss bei Dior und dem eigenen Label, der Verlust von Geld, Ansehen und Freunden.
Zu Recht, möchte man meinen.

Galliano folgte im Anschluss dem üblichen Prozedere: der öffentlichen Entschuldigung und Erklärung einer Alkoholabhängigkeit folgte die Einweisung in eine Entzugsklinik, die Aberkennung seines Ordens „Chevalier of the Legion of Honor“ und eine gerichtlich verordnete Geldstrafe. Er tat Buße, Anfang des Jahres gab ihm Oscar de La Renta die Chance eines sanften Wiedereinstiegs, ließ ihn an seiner Kollektion mitwirken.
Dies wäre nun der Moment gewesen, in dem sich alles zum Guten hätte wenden können, würde Galliano nicht von der Provokation leben: er zeigte sich vor der Show in einem Rabbi-inspirierten Outfit.
Die jüdische Gemeinschaft entrüstete sich darüber.

Was macht man nun mit einem der kreativsten Geister der Welt, der sich einfach nicht an die Regeln des Comeback halten will, der aber auch als Regelbrecher bekannt wurde, davon lebt sich nicht anzupassen? Kann so jemand nicht anders? Muss, sollte man ihm verzeihen, oder hat er seine Chance verspielt?

Petition gegen das Engagement von John Galliano auf change.org

Petition gegen das Engagement von John Galliano auf change.org

Die Initiatoren der Petition, die auf Change.org Unterschriften gegen das Engagement Gallianos bei Parsons sammeln, finden jedenfalls, dass Galliano keine Anstellung verdient hat:
„Parsons The New School for Design plans to hire John Galliano for a 3-day workshop. It doesn’t matter if its for three months or three days, hiring someone who has made such horrific comments shows that the school values Galliano over their entire Jewish student body. It shows they value him over their students‘ respect, peace of mind, and heritage. It is disgraceful to hire someone who has made such inhumane comments. We do not want money from our tuition going to this kind of person. We feel like we’ve been slapped in the face by our school. There should be no room for this kind of person as a staff member on the faculty at Parsons.“

Parons. the New School for Design

Parsons. the New School for Design

Auch die Kommentare unter der Petition schließen sich dieser Meinung größtenteils an. Parsons hat sich zu der Petition bisher nicht geäußert. Es bleibt offen, ob die Universität dem medialen Druck, den Wünschen Studiengebühren zahlender Studenten und dem vermutlich wachsenden Druck aus der jüdischen Gemeinschaft, die einen nicht geringen Teil der New Yorker Modebranche und Parsons-Förderer ausmachen dürfte, aushalten kann, beziehungsweise sollte.

Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, wie lange jemand bestraft, marginalisiert werden soll, der – im berauschten Zustand – Menschen schwer beleidigt, und nach einer Entschuldigung wieder Anschluss an die „polite society“ sucht.
Galliano wird, was auch immer er in Zukunft macht, Menschen begegnen, die ihm nicht verzeihen werden. Heißt das, dass er für immer und ewig ausgeschlossen bleiben soll?

Die Geister scheiden sich an der Person und den Handlungen Gallianos. Festzuhalten bleibt seine Sucht nach Aufmerksamkeit, seine provokanter Charakter, werden ihn immer wieder in die Öffentlichkeit treiben, auch wenn er sicherlich das Vermögen hätte, sich zur Ruhe zu setzen, Gras über die Sache wachsen zu lassen.
Dies treibt ihn auch dazu, selbst die Regeln des Comeback zu brechen, vielleicht seine größte Chance auf Vergebung zu verspielen und die Leute vor den Kopf zu stoßen, die ihm helfen wollen.
Ohne diese bizarren Züge wäre er aber auch nie zu einem der größten Modedesigner unserer Zeit geworden.