A Life in Pictures: Patou

Aus: Courtesy of Jean Patou: A Fashionable Life by Emmanuelle Polle, Flammarion, 2013.

Aus: A Fashionable Life by Emmanuelle Polle, Flammarion, 2013. via

Die mögliche Wiederbelebung des berühmtes Pariser Modehauses Patou hat vergangene Woche für Aufsehen in der Modewelt gesorgt. Eine gute Gelegenheit, in die Geschichte der Marke und des Mannes, der sie erschaffen hat, einzutauchen: Was zeichnet Patou aus?

Jean Patou

Jean Patou

Der Weg zum Erfolg – Mode für die „neue“ Frau

Jean Patou, der Sohn eines Gerbers, durchlief eine Ausbildung zum Kürschner, bevor er 1912 sein erstes kleines Atelier „Maison Parry“ in Paris eröffnete. Die Kollektionen entsprachen dem damaligen, vom amerikanischen und europäischen Stil geprägten Zeitgeist: dezent, elegant und luxuriös.
Als der I. Weltkrieg ausbrach, wurde auch Jean Patou an die Front geschickt. Erst nach Ende des Krieges kehrte er nach Paris zurück und eröffnete dort unter seinem eigenen Namen eine neue Boutique. Der Krieg hatte seinem guten Ruf keinen Abbruch getan und so kehrten sie wieder zu ihm zurück, die Schauspielerinnen, Sängerinnen und Damen der Gesellschaft.
In den Zwanziger und Dreißiger Jahren prägte er die Modelandschaft bis zu seinem frühen Tod maßgeblich mit. Patou war stets innovativ und modern, er spürte, was Frauen wollten und gab ihnen die Möglichkeit, sich gleichzeitig schick und entspannt zu kleiden. Es ist nicht übertrieben, wenn man behauptet, dass Ralph Lauren seine Idee der eleganten Sportswear bei Patou aufgegriffen hat.

Jean Patou und seine Kundinnen 1926

Jean Patou und seine Kundinnen 1926, via

Modische Innovationen der 1920er

Weitere Beispiele für die Neuerungen seiner Zeit waren gewebte Schwimmbekleidung, Designerkrawatten und ärmellose, knielange, gerade geschnittene Kleider aus wertvollen Stoffen, die mit künstlerischen Stickereien verziert waren – eine perfekte Symbiose aus der Geradlinigkeit des Art déco und den graphischen Elementen des Kubismus.
Patou griff damit den Geschmack der Flapper der Zwanziger Jahre auf, jene Frauen, die sich, inspiriert durch Margueritte´s skandalöses Buch La Garçonne die Haare abschnitten, dunkelroten, fast schwarzen Lippenstift trugen, rauchten, Jazz hörten und ein neues Erscheinungsbild der Frau prägten. Sie waren berufstätig, besser gebildet als je zuvor, fuhren Auto, spielten Tennis. Jean Patou kreierte für diese Frau eine Garderobe, die für alle Gelegenheiten das Passende bot.

Beaded silk evening dress by Jean Patou, 1927 - Metropolitan Museum of Art

Beaded silk evening dress by Jean Patou, 1927 – Metropolitan Museum of Art

Abendkleid  Jean Patou, 1924 - Victoria & Albert Museum

Abendkleid Jean Patou, 1924 – Victoria & Albert Museum

Sein sogenanntes „Weekend-Case“ beinhaltete u.a. Badeanzüge, Pyjamas, ein Kleid für den Abend, eines für das Golfspiel, eine Strickjacke für abends sowie Tenniskleidung. Die kleine Auswahl ermöglichte unzählige Kombinationen.
Die damals weltbeste Tennisspielerin Suzanne Lenglen spielte 1921 in Wimbledon in einem waschbaren Faltenkleid aus Seide und einer maskulin geschnittenen Strickjacke von Patou. Wen wundert es bei soviel Pioniergeist noch, dass Patou auch als erster Designer seine Initialen J.P. auf Jacken und Polo-Shirts stickte?

französische Tennisspielerin Suzanne Lenglen in Wimbledon 1926

französische Tennisspielerin Suzanne Lenglen in Wimbledon 1926

Der Duftkrieg: Chanel No.5 gegen Joy

Jean Patou war ein Zeitgenosse Coco Chanels. Beide sollen einander nicht sehr zugetan gewesen sein, im Gegenteil. Es herrschte Konkurrenz, ob bei der Mode oder dem zweiten Erfolgsgeheimnis beider Designer: Parfums. Nach Chanel No. 5 ist Patou´s Joy das erfolgreichste Parfum aller Zeiten. Bis heute hat sich die Marke durch das Renommee seiner Düfte seinen guten Ruf erhalten können.
Die Amerikaner nannten ihn den „most elegant man in Europe“. Er war schlank, hatte ebenmäßige Gesichtszüge und eine tiefe, wohlklingende Stimme. Jean Patou konnte man durchaus als „Ladies´Man“ bezeichnen, obwohl er Zeit seines Lebens Single blieb. Aber er liebte die Frauen. Er liebte es, sie einzukleiden und ihre feminine Ausstrahlung zu unterstreichen. Seine Patou – Frau ist attraktiv, strahlend, gesund. Sie bewegt sich gern in der Natur, hat ein entspanntes Verhältnis zu ihrem Körper und trägt Kleidung, die zwar betont, aber nicht einengt. Sogar ein sanft gebräunter Teint kam durch ihn in Mode.

Jean Patou, ca. späte 1910er Jahre

Jean Patou, ca. späte 1910er Jahre

Die modische Nachfolge Jean Patous

Über Jean Patou ist bekannt, dass er eine Vorliebe für schnelle Autos und Boote hatte, seltene Bücher ebenso sammelte wie wertvolle Bilder. Er verstarb im Jahr 1936 viel zu früh an Herzversagen. Nach seinem Tod führten seine Schwester und ihr Mann die Marke weiter, die jedoch hauptsächlich von den Düften getragen wurde.
Später engagierten sich zahlreichen namenhafte Designer für Patou. Marc Bohan, Karl Lagerfeld, Jean Paul Gaultier und Christian Lacroix versuchten, der Marke wieder Leben einzuhauchen.
Nach Lacroix´ Weggang 1987 gab es jedoch keine Haute Couture mehr. Mittlerweile gehört Patou einem Vertrieb namens Designer Perfumes Ltd.

Jean Patou Joy

Jean Patou Joy

Das Comeback des Labels: welche Rolle spielt die Mode dabei?

Umso überraschender ist die Neuigkeit, dass Patou schon nächstes Jahr im Frühling in Paris eine neue Ready-to-wear Kollektion zeigen will. Laut Vizepräsident Bruno Cottard gibt es Pläne und Ideen, wie die Kollektion aussehen soll und welche Designer in Frage kommen. Ebenso soll ein neues Parfum in Planung sein und ein Re-Launch dreier weiterer Düfte anstehen, nachdem bereits drei bekannte Parfums von Patou überarbeitet wurden.
Es bleibt zu erwarten, ob die Neuauflage dem Erwartungsdruck standhalten kann. Manchmal ist es auch gut, Großes in Würde ruhen zu lassen und in Erinnerungen zu schwelgen – wenn man damit lediglich die Parfümverkäufe durch mehr Medien- und Moderummel anregen möchte. Wenn man tatsächlich ein Couture-label mit einer derart spannenden DNA wiederbeleben will, sollte man vorher gründlich überlegen, wie.

Ein Entwurf von Jean Patou, 1959

Ein Entwurf von Jean Patou, 1959

Text: Claudia Baldauf