Michael Naumann: Rede über Mode

Der Publizist und ehemalige Staatsminister für Kultur und Medien Michael Naumann hat zum 60. Geburtstag der Branchenzeitschrift „Textilwirtschaft“ eine Festrede verfasst, in der er wichtige Erkenntnisse hinsichtlich der Bedeutung und zukünftigen Entwicklung der Mode(industrie) herausarbeitet.

Mode ist nicht nur Schutz „vor „Wind und Wetter“, oder „Nacktheit und ganz anderen Blößen“, sie ist, und sie kann, mehr.

„Im modernen Kampf zwischen der Freiheit des Individuums und dem sozialen Diktat der Gleichheit soll die Mode vermittelnd eingreifen, und manchmal geht das schief. Heute wissen wir: Die Abschaffung des modisch konstruierten Selbst war von jeher die Hoffnung totalitären Denkens.“

Wie sehr Mode das grösste Experiment der Aufklärung, die Globalisierung, fördert und durch dieses gefördert wird, ist ihm bewusst, und er mag beispielsweise auch in einem „amerikanischen Kulturimperialismus“ nur schwer eine Gefahr sehen.

„Mode auch in den Zeiten der Globalisierung kann nur intellektuelle oder künstlerische Verbindungen erleichtern oder aufrechterhalten, die andere Kräfte – aus welchen Motiven auch immer – gerne stillgelegt hätten. Völlig abwegig erscheint zudem der Gedanke an die Einführung einer Art Reinheitsgebot für kulturelle Belange.

…Auf dem Gebiet der Kultur, und zu ihr zähle ich die Mode, kann ich mir – anders als in der Wirtschaft – vielmehr eine größere Zahl von Gewinnern vorstellen. Denn der vorhin beschriebene Trend zur Uniformierung der Kultur wird zweifelsohne eine Gegentendenz zur Nischenbildung befördern. Das Auskleiden der Nischen wird durch die neuen Techniken der Verbreitung und der Reproduktion erleichtert. Monopole auf Kultur werden sich nicht sichern lassen. Das Elitäre, soll heißen: das Neue und Unbequeme, das Ungesicherte und Provokative, das Phantasievolle und Verrückte, also all das, was immer noch Kunst und Mode konstituiert, wird ein anderes Versteck suchen und finden. Ob dieser Vorgang zu begrüßen ist oder ob wir die Hände über dem Kopf zusammenschlagen sollten (ein kultureller Vorgang, der auch ziemlich aus der Mode gekommen ist), wollen wir erst dann entscheiden, wenn es soweit gekommen ist.“

Dann könnte es allerdings zu spät sein.

Der hochinteressante kultursoziologische Parforceritt, in dem er auch seine Fähigkeit zu humoristischem Sprachspiel unter Beweis stellen möchte, ist auf ZEIT online veröffentlicht.

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