Heidi Horror Picture Show – Das Model als Politikum

Germany's Next Topmodel Finale, Femen Aktivistin.

Germany’s Next Topmodel Finale, Femen Aktivistin stört.

Germany’s Next Topmodel ist wahrlich kein Glanzlicht deutscher TV-Hochkultur, dennoch schaffte es das Finale der mittlerweile achten Staffel der Castingshow, gute 20% der Zielgruppe vor die heimischen Flatscreens und zu den Chipstüten zu locken.
Neben jeder Menge Scheinspaß überraschte die Sendung aber mit einem ungeplanten Zwischenfall: Aktivistinnen des deutschen Ablegers der feministischen Organisation Femen (die Seite ist seit gestern down) stürmten in gewohnt barbusiger Manier die Bühne und taten schriftlich ihre Meinung zur Serie kund: „Heidi’s Horrow Picture Show“ hatten sie auf ihre Oberkörper geschrieben, „Kein Foto für Heidi“ skandierten sie – eine Kritik an dem Körperidealen, die GNTM und Klum in den Augen der Feministinnen vertreten. 

In einem Interview sagten die beiden Protestierenden: „Wir sind gegen die Werte, die „Germany’s next Topmodel“ ausdrückt. Es ist eine Show, die falsche Frauenbilder vermittelt. Diese Sendung ist auf eine sehr junge Zielgruppe ausgerichtet, die das Topmodelwerden sehr ernst nimmt. Es wird ein falsches Bild vom eigenen Körper wiedergegeben. Heidi geht, wenn eine Kandidatin einen Schokoriegel gegessen hat, dann einfach mit dem Maßband hin und sagt: ‚Du bist nicht so in der besten Shape.‘ Das geht doch nicht. Das ist furchtbar. So entstehen Geschichten wie Bulimie oder Anorexie“ und weiter „Heidi Klum hat sich während der gesamten Staffel wie eine Zuhälterin verhalten. Sie sorgt dafür dass die Frauen sich so benehmen und verkaufen, dass sie von der Gesellschaft für sexy empfunden werden.“

Erst vor Kurzem waren Mitglieder von Femen in Berlin auf die Barrikaden gegangen, als dort das Barbie-Dreamhouse, ein lebensgroßes Erlebnispuppenhaus, eröffnet wurde. Auch hier hatte Femen den selben Kritikpunkt: unrealistische, sexistische Körper-, und Rollenideale für Mädchen und Frauen.
Nun ist der Trick freilich kein neuer, das dominante System mit den eigenen Waffen zu schlagen – in diesem Fall: Brüste.
Sex Sells – der Spruch kommt in diesem Zusammenhang leicht über die Lippen. Der nackte Frauenkörper wird benutzt um zu verkaufen. Kleidung, Autos, Parfüms, Castingshows und Zeitschriften, und auch: Feminismus.

Barbie Dreamhouse Femen Protest

Barbie Dreamhouse Femen Protest

Diese Doppelmoral von Femen, die Frauenkörper benutzt, um Frauen(körper) zu schützen; die Sexualisierung und Objektifizierung instrumentalisiert um mediale Aufmerksamkeit zu bekommen, welche sie wiederum braucht, um auf den herrschenden Sexismus aufmerksam zu machen, ist aber die selbe, die angeprangert wird. Ein sich selbst reproduzierendes System, aus dem es keinen anderen Ausweg gibt, als sich zu fügen und das Spiel mitzuspielen?
In diesem Zusammenhang ist die Stellungnahme von Pro7, die die Situation „mit Humor“ nehmen, besonders niederschmetternd: „Die beiden jungen Frauen haben den Castingaufruf für die nächste Staffel von ‚Germany’s next Topmodel – by Heidi Klum‘ wohl falsch verstanden. Das Casting war vor der Arena und nicht auf der Bühne.“ Keine Opposition also, sondern eigentlich potenzielle Teilnehmerinnen.
Pro7 spricht den Frauen somit ihre Agenda ab, verharmlost und macht sich lustig über den Feminismus – eine altbewährte Strategie, um den Status quo zu wahren.

Die Ironie an der ganzen Aktion ist aber, wenn man so will, dass die Aktion zwar eine – wenn auch sehr oberflächliche – Diskussion angeregt, aber auch den jungen Mädchen, die sie „retten“ wollte, gezeigt hat, dass man ihnen nur dann Gehör schenkt, wenn sie blank ziehen und ihre „weiblichen Reize“ einsetzen.
Noch dazu, da auch die Aktivistinnen selbst nicht außerhalb eben jener Schönheitsnormen liegen, beziehungsweise die Medien jene Protestierenden besonders gerne abbilden, die als „schön“ und „sexy“ durchgehen.
Anders aber bekommen Feministinnen kaum Gehör, werden auf verschiedene, altbekannte Arten abgestempelt – männerhassend, behaart, lesbisch. Es ist eine Zwickmühle, aus der sich der Feminismus nur schwer befreien kann.

Germany's Next Topmodel Finale, Femen Aktivistin.

Germany’s Next Topmodel Finale, Femen Aktivistinnen.

Hier wäre es nun aber Aufgabe der Medien – so zumindest lernt es jeder angehende Journalist einmal – über die reine Tatsachenbeschreibung hinaus zu gehen, nicht nur von Brüsten auf der Bühne, vom Abtransport durch Security, von der Perplexität Klums und dem Sieg Lovelyns aus Hamburg zu sprechen, sondern auch die eine oder andere Frage zu stellen – zum Beispiel:
– Was wollen diese nackten Frauen denn eigentlich?
– Sind ihre Forderungen möglicherweise berechtigt?
– Ist GNTM eine Sendung, die unserer Gesellschaft einen Mehrwert bringt?

Auch wenn Feminismus ein „alter Hut“ ist, ein Presseapparat der diese Fragen nicht stellt, verfehlt seine Funktion. Eine Gesellschaft, in der jedes junge Mädchen Model werden will, bleibt kaum eine führende europäische Wirtschaftsmacht.
Vielleicht wären Germany’s Next Top Scientist oder Germany’s Next Investigative Journalist ja auch erfolgreiche Formate, für den Anfang wäre auch schon der oder die nächste deutsche Modedesigner/in spannend, à la Project Runway - aber bitte nicht mit Frau Klum.