Vladimir Karaleev S/S 2011 – Grenzgänger in der Fremde

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Vladimir Karaleev S/S 2011

Der in Bulgarien geborene Vladimir Karaleev ist der „Architekt“ unter Berlins Modeavantgarde. Konzeptionell, dekonstruktivistisch und geometrisch sind die Schlagworte, mit welchen Karaleevs Schaffen knapp umrissen werden kann. Seit 2005 gibt es sein Label, mit dem er im vergangenen Juli den dritten Preis des ersten Modewettbewerbs des Landes Berlin „Start your Fashion Business“ gewonnen hat.

„Fremd“ heißt seine Kollektion für Spring/Summer 2011, und dies drückt sich auf mannigfaltige Weise in seinen Entwürfen aus. Zuerst einmal scheinen die Formen, die Karaleev entwickelt, auf den Körpern der Models irgendwie fremdartig. Sie folgen nicht dem Körper, wie die Schnittkunst es seit Jahrhunderten zu optimimieren versucht, sondern lösen die Vertrautheit zwischen dem menschlichen Körper und seiner „zweiten Haut“ auf. So wirken die Kleidungsstücke wie Fremdkörper, die von der eigentlichen Silhouette abstehen. Falten, die dort konventionell nicht hingehören, wo sie sind, Volumina, die eine gewohnte Form verändern und sie gerade dadurch betonen. „Der menschliche Körper lässt sich nicht in Formen zwängen“, scheinen diese „Fremdkörper“ zu sagen, „und deshalb versuchen wir es erst gar nicht“.

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Vladimir Karaleev S/S 2011

Darüber hinaus sind sich auch die Stoffe fremd, die miteinander kombiniert werden. Wolle und Leder, im Wechselspiel mit Baumwoll-Jerseys und Seide, schaffen Kontraste.
Dazu kommen Materialien die wie Nessel oder Tyvek wirken, die also eigentlich zum Schaffensprozess einer Kollektion gehören, nicht aber in das fertige Produkt.

Diesen Produktionsprozess betont Karaleev auch durch teilweise unversäuberte Kanten und rigorose Nachlässigkeit, die nicht zusammenzugehören scheinen. Selbst Reisverschlüsse, die nicht gänzlich festgenäht sind, also nur lose Bekanntschaft mit ihrer Umgebung machen, anstatt eine feste Bindung einzugehen, verstärken den Eindruck der Fremdheit. So wie ein Mensch nie ganz fertig ist, weil sich das Ich immer im Werden befindet, so ist auch Karaleevs Kollektion immer in einem Zwischenstadium gefangen. Sie scheint zu fragen: „Wer entscheidet, wann etwas fertig ist?“

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Vladimir Karaleev S/S 2011

Die Unangepasstheit der Stücke erinnert zudem an eine Art Panzerung, an einen Schutzschild gegen die Außenwelt, eine Abgrenzung von der Fremde um jeden Menschen herum. Karaleevs Entwürfe betonen durch ihre Andersartigkeit die Grenze zwischen Innen und Außen, Selbst und Nicht-Selbst, Vertraut und Nicht-Vertraut, also „fremd“.
Karaleev fügt zusammen, was nicht zusammengehört und macht dies auf eine Weise, dass man seiner Inszenierung einfach Bedeutung zumessen muss.

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Vladimir Karaleev S/S 2011