Maison Martin Margiela SS 2011

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Bei Maison Martin Margiela‚s SS 2011 Kollektion trifft „Männermode auf Frauenköper“. Schlichte Hemden in kühlen Farben werden zu Pumps kombiniert und als Kleider getragen, Jacketts werden locker über die Schulter gehangen, die Arme in den Ärmeln zu tragen scheint in dieser Saison pass©. Geradlinige Röcke und Hosen, erinnern an Silhouetten der letzten AW 10/11 Kollektion des Labels, besitzen Taillenhöhe, liegen ihr jedoch nicht eng an, sondern geben großzügigen Raum.
Während die ersten Outfits recht simpel und tragbar wirken, liefern die folgenden Stücke einen überwiegend progressiven, 2-dimensionalen Eindruck: Körper scheinen in flach-gepresste Kleidungstücke förmlich eingenäht.
Dieser Eindruck entsteht durch reichlich überstehenden Stoff, der den Körper der Trägerin zu einem Rechteck ergänzt.

Während die Kleider die Körperkonturen der Trägerin von vorne kaum erkennen lassen, zeichnen diese sich von hinten umso stärker ab. Hinsichtlich der Formen erinnern einige Teile entfernt an abgepackten Räucherlachs, dessen Umrisse sich durch die Plastikfolie der Verpackung abdrücken. Nicht jedoch die überwiegend monochrome Farbpallette der Kollektion, die kühle Blautöne, das typische Margiela-Nude, Taube, Schwarz und Disko-Pink enthält.

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Niemals jedoch hat das avantgardistische Modehaus den Anspruch auf leichte Zugänglichkeit und simple Tragbarkeit -zumindest nicht bei den Laufstegkollektionen- gestellt. Die Kreationen des Labels sind kunstnah. Es ist ein ganzheitliches Konzept, welches Eindruck hinterlässt, aneckt, aber gleichermaßen eine stetig wachsende Fangemeinde besitzt.
Es sind vier kleine Fadenstiche und ein schlichtes Logo aus Zahlen, die der Marke ein Gesicht geben. Die Farbe Weiß in ihrer Vergänglichkeit, die einem rapiden Alterungsprozess durch Gebrauchsspuren unterliegt, repräsentiert das Markenkonzept des Hauses.

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Das gesamte Studio, im 11. Pariser Arrondissement gelegen, ist weiß gestaltet. Wert gelegt wird auf ursprüngliche Einfachheit und kühles Understatement, das sich in jedem kleinsten Detail des Unternehmens wiederfinden lässt: Angefangen bei liebevoll durchdachten Details der Kleidung – Margiela war einer der ersten Designer, der Nähte auf der Oberseite betonte und so Akzent auf die Konstruktion der Kleider legte- bis hin zu einer, auf den ersten Blick, bizzaren Internetpräsenz des Unternehmens, die sich durchdacht unfertig darstellt. Resultat dieser Strategie: Neugierde und eine effektive Mund-zu-Mund Propaganda.

Seit ihren Anfängen liegt die Idee der Entwürfe nicht auf ihrer Noblesse, sondern auf ihrer Einzigartigkeit und dem Gedanken, der hinter jedem einzigen Kleidungsstück steht. Seitdem der Belgier Martin Margiela 1988 seine ersten Entwürfe präsentierte, legte er den Grundstein für einen bis heute anhaltenden Mythos.
Auch die Übernahme durch den Diesel-Konzern und der Abschied Margielas selbst setzte den visionären Kreationen des Designteams keine Grenzen. Im Vordergrund scheint nach wie vor nicht die Verkaufbarkeit der Catwalk-Teile, denn finanzielles Stützrad des Unternehmens bildet die tragbare Ready-To-Wear-Linie.
Oft werden die Laufsteg-Kollektionen zunächst nicht begriffen, ein paar Saisons später jedoch in Mainstream-Trends umgewandelt.
Vielleicht ist es in diesem Sinne nur eine Frage der Zeit, wann die radikale 2-Dimensionalität der SS 2011 Kollektion in abgewandelter Form auf der Straße zu sehen ist.

Anna Pietschmann