Jo Gordon, Kiss of Death (1994)
Wer erinnert sich nicht an Sarah Jessica Parker in ihrem grünen McQueen Kleid und dem passenden Hut, designt von Philip Treacy zur Premiere von Sex and the City – The Movie, wer hat nicht das Bild von Janet Jackson auf ihrem Album Rhythm Nation 1814 im Kopf, auf welchem sie eine Cap mit Metallemblem trägt, was wären Marlene Dietrich ohne Zylinder, John Wayne ohne Cowboyhut, wer würde über Prinzessin Beatrice sprechen, hätte sie nicht den außergewöhnlichsten Hut zur royalen Hochzeit getragen.
Hüte, wenn auch heute selten im Alltag getragen, können ein Sternchen zum Star machen, ein Outfit unsterblich, einem Foto Ikonenstatus verleihen.
Das Bard Graduate Center in New York widmet der geschichtsträchtigen Kopfbedeckung derzeit eine Ausstellung auf drei Etagen. Vom ägyptischen Fez aus dem 12. Jahrhundert, über eine Narrenkappe, bis hin zum Skihelm, sind hier alle noch so ungewöhnlichen Vertreter ihres Genres versammelt.
Kuratiert von Stephen Jones, lässt Hats: An Anthology keine Wünsche offen: Die Ausstellung beschäftigt sich mit dem Lebensweg des Hutes von der Inspiration über die Produktion, Materialien und Fertigung im Atelier bis hin zu den – zuweilen berühmten – Kunden und Kundinnen.
Als Ausstellungsstück erzählt der Hut viele Geschichten, illustriert Historie und wirft einen kritischen Blick auf unsere Beziehung zu dem einst unverzichtbaren Accessoire.
Wird der Hut jemals wieder essentieller Bestandteil eines Outfits werden? Wenn heute jemand einen Hut trägt, so geschieht dies meist mit einer Prise Ironie, siehe Parker. Eine Person mit einem Turm giftgrüner Federn und Schmetterlinge auf dem Kopf kann sich selbst nicht ganz ernst nehmen, kann nicht ganz ernst genommen werden.
Was also will und kann der Hut heute?
Kirsten Woodward, Sex on the Brain (1996); Philip Treacy, Feather Hat (1995)
Hüte schränken ein. Sowohl das Blickfeld, als auch die Bewegungsfähigkeit. Sie benötigen mehr Platz, nehmen mehr Raum ein. Das mag einer der Gründe sein, warum Hüte heute vornehmlich zu Gelegenheiten getragen werden, in welchen keine physische Arbeit oder Reaktionsfähigkeit zu erwarten sind, jedoch besonderes Augenmerk auf die Teilnehmer gerichtet ist: Hochzeiten, Premieren, Staatsempfänge, Wohltätigkeitsgalas oder Pferderennen sind nach wie vor Schauplätze des aussterbenden Accessoires.
Zweifelsohne ist der Hut auch stets ein Fingerzeig in vergangene Zeiten, eine Vergangenheit, in der er besonders eines ausdrückte: Klassenzugehörigkeit. Ganz ähnlich wie der im 19. Jahrhundert von Frauen getragene Sonnenschirm (parasol/ombrelle) schützte der Hut die Trägerin vor fremden Blicken, vor Gesichtsverlust, insbesondere aber vor den gefürchteten Sonnenstrahlen, die die weiße Haut, damals Schönheitsideal, und symbolisch die Reinheit der Dame, gefährdeten.
Sich draußen aufzuhalten war das Schicksal der „niederen Klassen“ und mit dem Aufkommen der „leisure class“ im 19. Jahrhundert war der Hut für diese unverzichtbar.
Caroline Reboux Fellhut getragen von Kaiserin Eugénie ca. 1865 und Haube aus dem 19. Jahrhundert
Wegen der Historie, die dem Hut anhaftet, kann er heute nicht mehr ohne weiteres Bestandteil der Alltagsgarderobe sein. Die einzigen Überlebenden, die tatsächlich noch auf den Köpfen dieser Welt zu finden sind, sind Kappen und Mützen – sozusagen Hüte, ihrer dekorativen Funktionen und Pflichten grösstenteils beraubt.
Ein Neuanfang, oder zumindest ein Versuch dessen, könnte der Turban sein, der in den letzten Saisons wieder Einzug auf den Laufstegen gehalten hat und des öfteren auch auf den Straßen zu sehen ist.
Und wenn man möchte, könnte man es als Zeichen einer demokratisierteren Gesellschaft interpretieren, dass nun diese zaghafte Version versucht, dem Hut wieder Leben einzuhauchen, ohne das Symbol einer bestimmten Klasse zu sein.
Elsa Schiaparelli, Shoe Hat (1938); Balenciaga, Spiral Hat (1962)