Gastbeitrag: Fredericke Winkler über ökorrekten Luxus

Deepmello - Rhabarberleder

Deepmello – Ökorrektes aus Rhabarberleder

Fredericke Winkler ist Autorin, Dozentin, ehemalige Inhaberin des Belville Stores in Berlin, der als einer der ersten ökologisch korrekte Avantgardemode führte, und Expertin auf dem Gebiet Green Fashion. Bei Beyond Berlin arbeitet sie an keinem geringeren Ziel, als den Modemarkt zu revolutionieren.
Für Modabot hat sie sich das Luxussegment der Ökomode angesehen und fragt, warum nicht mehr Ökorrektes in unseren Kleiderschränken landet. 

Es ist eine gefühlte Ewigkeit her, seit ich mein erstes ökorrektes T-Shirt erstanden habe. Es war bretthart und nach der ersten Wäsche hatte es einen unübersehbaren Twist. Und dennoch war es für mich ein persönlicher Meilenstein eines in meiner Umgebung stetig voranschreitenden Konsumshifts, der schon damals über zwanzig Jahre seit der ersten Ökobewegung auf dem Buckel hatte. Heute sind biofaire Waren – auch wenn sie dadurch nicht unwesentlich an Glaubwürdigkeit verlieren – konsumententauglich. Ökoäpfel sind nun handlich eingeschweißt und Ökostrom ist eine erst zu nehmende Alternative. Sharing ist das neue Eigentum und DIY macht jedem Wellnessprogramm Konkurrenz. Aus dem rebellischen Nischenmarkt ist eine lukrative Branche gewachsen, die selbst eine Konsumentenschaft mit überdimensionaler Komfortzone überzeugt.

People Tree

People Tree

Für die Mode bedeutet das, dass ihre grüne Opposition nun auch die Herzen erobert, wie eigentlich üblich, und nicht mehr nur den Verstand. T-Shirts von Armed Angels sind so weich und ihre Prints so fein. Greift man im Laden zu einem fröhlich gemusterten Sommerkleid ist die Chance groß, dass es von People Tree ist. Chinos von Knowlegde Cotton für die Jungs sind sowas von lässig. Ebenso die Outfits von Twothirds, deren Attitude à la „erwachsen gewordene Surferboys“ kein Frauenauge trocken lässt. Was interessiert mich Levi´s wenn ich K.O.I. trage? Was will ich von Diesel, wenn ich Nudie kaufen kann? Und das Schöne: man findet diese Labels unterdessen in vielen halbwegs ordentlich sortierten Einkaufsstraßen.

Twothirds

Twothirds

Twothirds

Twothirds

Nein, in unseren Zeiten muss niemand mehr für Umweltschutz und Fairness auf körper- und augenschmeichelnde Kleidung verzichten. Andersherum gibt es auch keinen Grund mehr, ein gutes Gewissen für ein cooles Outfit aufs Spiel zu setzen. Zumindest solange man nicht etwas mehr will, als ein Alltagsoutfit. Die Suche nach einem edleren biofairen Gewand gestaltet sich schon schwerer. Denn je höher man im Segment steigt , desto dünner wird das nachhaltige Angebot in den Läden.

Man könnte meinen, der Grund dafür sei die Schwierigkeit für die Brands, Materialien zu finden, die gleichermaßen speziell, edel und nachhaltig sind. Gerne benutzt man für anspruchsvolle Mode tierische Stoffe, also Wolle, Seide oder Leder. Deren Ursprung sowie ihre Verarbeitung zu kontrollieren ist allerdings kompliziert, denn die Produktionsverfahren sind kleinteilig und üblicherweise besonders dreckig; eine ethische Herangehensweise ist bisher noch wenig standardisiert. Dadurch schießen gerne mal die Preise der ohnehin schon teuren Stöffchen durch die Decke und man verbringt geraume Zeit mit der bezahlbaren Beschaffung bevor man den ersten gestalterischen Strich gezogen hat.

Elsien Gringhuis

Elsien Gringhuis

So steinig der Weg des Avantgarde-Designers hin zu einem seidigen Ruhekissen sein mag, hat sich doch in den vergangenen Jahren eine illustre Runde von Kreateuren und Brands gefunden, die vor dieser Trüffelschwein- und Kalkulationsarbeit nicht zurückschrecken und zu allem glücklichen Überfluss auch noch guten Geschmack beweisen.
Elsien Gringhuis ist etwa so eine, oder auch Christiane Milde aus Berlin. Bruno Pieters machte schon im vergangenen Jahr mit seinem Label honest by die Runde durch die Medienlandschaft und wenn man einmal ein Produkt von deepmello in der Hand hatte – welche immer aus Leder gefertigt sind, die mit Rhababer gegerbt wurden – will man nie wieder eine andere Lederqualität anfassen. Ebenso verhält es sich mit den leise schönen Kaschmirpullovern von Muriée oder den traumhaften Designs von aiayu.

Milde Berlin

Milde Berlin

Nein, das Angebot ist bei allen Widrigkeiten überhaupt nicht mehr das ursächliche Problem des mageren Marktanteils luxuriöser Eco-fashion. Wenn es aber weder der Produzent ist, noch der Konsument: wer verweigert bei dieser offensichtlichen Entwicklung denn nun die Mitarbeit?
Meine Annahme: Die High Fashion Stores sind es, die irgendwie schlapp machen und bei grüner Mode schon vorauseilend dankend ablehnen als habe man ihnen einen alkoholfreien Cocktail angeboten. Sitzt der Glaube denn noch so tief, dass auf einem hübschen Körper kein kluger Kopf stecken kann? Liegt der ordinäre Boutiquebesitzer denn in einem Dornröschenschlaf, dass er die Veränderungen in den sich schnell drehenden Segmenten nicht wahrnimmt? Wie kann eine modische Avantgarde technologisch so ins Hintertreffen geraten? Oder ist das Problem die geringe Größe der nachhaltigen Avantgardebrands, die wenig Service, späte Lieferzeiten und holprige Reklamationsverfahren befürchten lässt?

Das wäre zumindest ein nachvollziehbarer Grund, auch wenn er zu entkräften ist, denn wer den Spagat zwischen ästhetischer Originalität und struktureller Kompromisslosigkeit schafft, dem wird es an Zuverlässigkeit und Fairness an der Ladentheke nicht fehlen. Ich wage sogar die kühne Behauptung, dass man unter den ökorrekten Brands eine geringere Anzahl von unternehmerischen schwarzen Schafen findet, als unter den Konventionellen. Und wem ein sauberes Karma nicht Argument genug ist, sollte zumindest den aufgewirbelten Staub fürchten, wenn der Trendzug endgültig abgefahren ist.