Die Berlin Fashion Week und ihre Wurzeln

Oestergard
Haus-Modell Gisela Reißmann bei einer Anprobe mit Heinz Oestergaard im Modesalon von Eggeringhaus 1949. aus: Mode für Millionen, Ausstellungskatalog Berlin Museum, 1992, S. 38.via Tuchmachermuseum Bramsche

Die Geschichte der Modenschauen in Berlin ist, wie überhaupt die der Stadt, eine sehr bewegte. Diese Behauptung dürfte niemanden besonders verwundern, jedoch die Folgende wohl schon eher: Berlin kann sich rühmen, die Modenschau zwar nicht erfunden, doch aber wiederentdeckt zu haben. So schreibt Dr. Phil Gundula Wolter in „Berlin zeigt Mode“, der Einleitung des Buches „Berlin Fashion – Metropole der Mode“: „Kleidervorführungen vor einem namenlosen Publikum sind um 1900 noch nahezu unbekannt. (…) seit den 1860er Jahren übernahmen junge, hübsche Verkäuferinnen das Vorführen von Kleiderkreationen im intimen Kreis, um betuchte Kundinnen zum Kauf zu verführen. „Probiermamsells“ „Confectioneusen oder „Vorführfräuleins“ sind – nach französischem Vorbild – inzwischen auch in Berliner Modehäusern üblich.“

Den bescheidenen Anfängen in separaten Kämmerchen für betuchte Klientel folgte die modenschauähnliche Inszenierung: „Einer ersten Modenschau ohne Laufsteg konnten geladene Gäste bereits auf der Pariser Weltausstellung 1867 beiwohnen, ohne dass sich diese Form der Präsentation etablierte. Nun machte Berlin einen Vorstoß, indem „Damen der Gesellschaft im Tanzschritt bei Klavierbegleitung“ reformierte Künstlerkleider vorführten.“

Eine Pariser Erfindung also, doch entdeckt und zum Erfolg geführt in Berlin: „Der Umzug von 100 Damen in Reformierten Kleidern, Höhe- und Endpunkt eines Berliner Reformkleiderfestes vom 8.Dezember 1902, wird zur Sensation.
Auch über das von Frau Margarete Pochammer 1907 in Berlin veranstaltete Reformkleiderfest (…) wird seitens der Presse detailliert berichtet.
1910 greift Paul Poiret die Idee dann auf. Mit seinem glamourösen Fest „1002. Nacht“ zur Lancierung von Haremshosen und Lampenschirmtuniken schreibt er Geschichte.“
Der wirkliche Durchbruch der Modenschau findet dann – zum Leidwesen Berlins -doch wieder auf Pariser Boden statt. Und nocheinmal mäandert die Geschichte zurück nach Berlin. Poiret glaubt nämlich nicht daran, dass seine Hosen sich in Paris schnell etablieren können und versucht sich deshalb an Berlin: seine Show wird in Berlin als „Akt der Verlebendigung“, als eine „Sensation erster Jüte“ bezeichnet.

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Paul Poiret mit einem Model in seinem Studio via divisible.com

Die bereits bestehende, älteste Modemesse der Welt, Die Durchreise, wird 1917/18 von der „Modewoche“ abgelöst. Bereits damals – wie heute- wurde „Berlin als Modestadt“ ausgerufen, freilich unter befremdlicheren nationalistischen Tönen als dies heute der Fall ist. Die damaligen Modenschauen finden vorzugsweise in Theatersälen statt, zusätzlich gibt es sogenannte „Mode-Tees“, Moderevuen, Moderennen und Modebälle für ein bunt gemischtes, modeinteressiertes Publikum.

Mit dem Börsencrash 1929 endet die erste Glanzzeit der Berliner Modenschauen jäh, durch die darauffolgende Machtergreifung der Nationalsozialisten, Arisierung, den Zweiten Weltkrieg, die Teilung der Stadt, wird Berlin jahrzehntelang nicht wieder zu altem Glanz zurückfinden können.

Während in der DDR modische Kleidung Mangelware ist und die West-Jeans ein schwer zu bekommendes Must-Have, regieren in Westdeutschland Düsseldorf und München sowie zum geringeren Teil auch Köln die Mode, beziehungsweise die westdeutsche Messelandschaft.
Diese modische Dezentralisierung der BRD hält klare Nachteile für ihre Position in der Modewelt. Das geteilte Deutschland bekommt in Sachen Mode auch nur geteilte Aufmerksamkeit.

Igedo Düsseldorf
Plakat der Igedo in Düsseldorf aus: Mohr, Mode in Deutschland, S. 67.

Erst mit dem Fall der Mauer 1989 wendet sich das Schicksal der deutschen Hauptstadt wieder zum Besseren und bereits acht Jahre darauf „meldet sich die Hauptstadt mit einem Modespektakel, dem „längsten Laufsteg der Welt“ dem großen Q auf dem Ku ́damm lautstark als Stadt der Mode zurück.“

Nach gescheiterten Versuchen, eine Modewoche (mit der Messe AVE) in Berlin in den 80ern und 90ern zu etablieren, zieht schließlich 2003 die Bread & Butter von Köln nach Berlin. Gleichzeitig startet auch die Premium. Obwohl beide Modemessen immense Startschwierigkeiten haben, ist doch das Zeichen für Berlin gesetzt, die Weichen gestellt worden.

Nicht zuletzt der raue Charme der Hauptstadt, die uneroberte Partyszene locken Einkäufer und Hersteller aus aller Welt nach Berlin. Im Juli 2007 schließlich kommt IMG mit der Mercedes-Benz Fashion Week hinzu und verleiht Berlin den nötigen internationalen Glamour und Relevanz.

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Mercedes-Benz Fashion Week, Zelt am Bebel Platz via Mercedes Benz

Seitdem wächst das Potenzial der Kreativmetropole stetig, die Veranstaltungsvielfalt zur Fashion Week ist beinahe unüberschaubar.
Neben London, Paris, New York und Mailand etabliert sich eine fünfte Modehauptstadt mit einem ganz eigenen Flair.

Zitate:
– Dr. Phil Gundula Wolter „Berlin zeigt Mode“ in „Berlin Fashion – Metropole der Mode“. 2008 Dumont Verlag, Köln;
– Melissa Drier, „Modemarkt Berlin“. Ibid.

Zum Thema:
Berlin – Eine Modestadt will nach oben (27.02.2007)
Die “Neue Berlin Fashion Week (27.08.2007)