Die „Neue“ Berlin Fashion Week

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2007 kann man wohl zu Recht das Jahr 1 der „Neuen“ Berlin Fashion Week nennen, denn die Ankunft eines neuen Akteurs in der Berliner Modeszene hat in verschiedener Hinsicht eine neue Situation geschaffen.

Mit der „Mercedes Benz Fashion Week Berlin“ von IMG/Mercedes erschien ein international bekannter und potenter Ausrichter von Fashion Weeks, der das Potential Berlins als wichtige Modestadt sieht, und so begann im Juli 2007 im/am Brandenburger Tor die erste Veranstaltung mit zahlreichen Modenschauen, die ein mindestens fünfjähriges Engagement einläuteten.

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Da Berlin den Traum, Modemetropole zu werden, noch nicht ausgeträumt hat, und nun einen Partner bekommen hat, dessen Zielsetzung explizit darauf ausgerichtet ist, trifft sich das gut, da man sonst nicht so recht gewusst hätte, wie man das bewerkstelligen soll.
Mit Modemetropole sind nun nicht die Messen, Showrooms und Schauen an sich gemeint, sondern die Erhöhung eben dieser -oder zukünftiger- Veranstaltungen auf das Niveau global bedeutender Ereignisse, die die Richtung der Mode ästhetisch und ökonomisch mitbestimmen.

Dass die erste „Mercedes Benz Fashion Week Berlin“ bei diesem hochgesteckten Ziel nur ein Anfang sein würde, war klar, und so wurde man Zeuge einer soliden und gut organisierten Veranstaltung, die aber keine internationalen Highlights aufwies, und die darüberhinaus dadurch irritierte, dass angekündigte Labels wie c.neeon, Bless und Bottega Veneta letztendlich nicht zeigten.
Dennoch wurde deutlich, dass hier eine neue Professionalität wirkt, die sich in vielen Aspekten von den übrigen Events absetzt, und über Berlin hinaus weist.

Eine Veranstaltung, die das derzeit besser kann und aus verschiedenen Gründen als die wichtigere Modeveranstaltung Berlins -in Bezug auf die oben genannte Zielsetzung- gelten muss, ist jedoch immer noch die „ideal“.
Mit geringen Mitteln und viel Sachverstand hat sie es im Juli 2007 zum vierten Male geschafft, internationale Avantgarde-Mode zu präsentieren.
Dennoch hat die ideal wie viele andere Berliner Akteure mit strukturellen und finanziellen Problemen zu kämpfen, so dass ideal-Chefin Sumi Ha in einem Gespräch mit modabot die Notwendigkeit einer besseren Unterstützung der Mode durch die Stadt deutlich thematisierte.


ideal Chefin Sumi Ha

ideal ist mit Hilfe der Show in der Lage, angesehene Persönlichkeiten der internationalen Avantgarde-Modeszene wie Diane Pernet, oder die Gewinnerin des diesjährigen „Hyères Festival International de Mode et Photographie“ Preises Sandra Backlund, nach Berlin zu holen.
Zugegeben, diese Personen sind trotz ihres Standings und ihrer Verbindungen „accessible“, und viel eher für einen Besuch zu haben als die Modesuperstars des Mainstream, trotzdem kann man für die ideal sagen: Soll erfüllt.

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Das gilt nicht für die Mercedes Benz Fashion Week Berlin.
Zwar kam insgesamt ein interessantes Line-up, u.a. auch mit „Germany´s next Modepapst“ Michael Michalsky zustande, blieb aber die grossen internationalen Namen schuldig.
Und dass Vivienne Westwood, die ihre Nebenlinie „Anglomania“ zeigte, es bei einer derartigen Premiere nicht einmal für nötig befand, in der Stadt zu erscheinen, kann angesichts der Tatsache, dass Westwood jahrelang als Professorin an der Berliner UdK wirkte, nur als Affront gewertet werden.
Aber: ein Affront, den man nicht zu ernst nehmen sollte, denn wie IMG Fashion Vice President Fern Mallis im modabot-Interview sagte: bei neuen Veranstaltungen fragen die Designer -in Sorge um ihren Ruf- immer „Who else is doing it?“


IMG Fashion Vice President Fern Mallis

So wird die zukünftige Aufgabe von IMG/Mercedes sein, international etablierte Designer davon zu überzeugen, in Berlin zu zeigen, oder die neue Garde von europäischen Designern zu präsentieren, die das Potential haben, Stars zu werden.
Das dürfte nicht zu schwer sein, denn die Qualität der gezeigten Mode war teilweise hervorragend, und Women ́s Wear Daily Korrespondentin Melissa Drier zeigte sich beispielsweise vom Niveau der im „Karstadt New Generation Award“ präsentierten Designerinnen (Kaviar Gauche, Lala Berlin, TalkingMeansTrouble, Macqua) begeistert.


Women ́s Wear Daily Korrespondentin Melissa Drier

Tatsächlich, in der ganzen Stadt spürte man einen wachsenden Aktionismus; die zahlreichen etablierten Showrooms wie die „Apartmentgalerie“, „temporary showroom“, „Agentur K Showroom“, die Previews, die Abschluss-Shows der Berliner Modeschulen, die Defil©s der Beck ́s Fashion Experience, die Show des Nokia Trendslab, und besonders auch die neuen „Projekt Galerie Showrooms“, die von Personen aus dem ehemaligen Umfeld der ideal organisiert wurden, sie alle bewiesen, dass kreative und unternehmerische Energie vorhanden ist, und etwas bewirken möchte.
Und sie alle tragen ihren Teil dazu bei, Berlin zunehmend interessant zu machen.

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Aber vor allen Dingen die Modemacher, letztendlich das Zentrum aller Aktivitäten, sind nicht nur qualitativ auf hohem Niveau, sie repräsentieren auch eine modische Intelligenz, die sich nicht an bisweilen veralteten Vorstellungen von Luxus und Glamour orientiert, sondern eigene ästhetische Ideen entwickelt.

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pulver SS 08 „Utopia“

Das alles lässt für Berlin hoffen.
Dabei dürfte klar sein, dass, obwohl es zahlreiche Interessenskonflikte und vielschichtige Konkurrenzverhältnisse gibt, nur die Summe aller Teile Berlin als „Modemetropole“ etablieren wird.
Und auch die Mercedes Benz Fashion Week Berlin wird mehr brauchen als nur den ausgezeichneten Ruf von IMG/Mercedes, eine Tatsache, die von Anfang an von den IMG-Verantwortlichen erkannt war, und durch die innige Umarmung von Fashion Week Bau und Brandenburger Tor hervorragend symbolisiert wurde.

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Mercedes Benz Fashion Week Berlin am Brandenburger Tor

Trotz alledem, auch wenn es viele innovative und interessante, mitunter von modefernen Unternehmen gesponsorte Events gibt: im Vordergrund hat das Bemühen zu stehen, eine Fashion Week als das zu behandeln, was sie ist: eine zeitlich begrenzte Veranstaltung, in der Modemacher die Möglichkeit haben, ihre Mode Einkäufern und der Presse zu präsentieren.
Der für Wolfgang Joop vermeintlich fehlende Ernst war somit auch der Grund, schlussendlich auf der Berlin Fashion Week nicht zu zeigen:
„Ich misstraue forcierten Aktionen, die nicht aus gewachsenen Voraussetzungen entstehen.
Plötzlich heißt es: Hoppla, hoppla, jetzt sind wir alle da, der endlose Laufsteg durch Berlin wie bei der Love-Parade. Ich weiß um die Fragilität meiner Marke.“ Gerade etwas scheinbar Oberflächliches wie die Mode müsse man mit äußerstem Ernst betreiben – sonst mache man sich leicht lächerlich, „komplett lächerlich“, war sein Kommentar.

Ob er damit meinte, dass er nicht an Berlin glaubt, oder ob er eigentlich sagen wollte: „Who else is there?“, das bleibt offen.

pd_modabot

Dieser Artikel ist eine Fortsetzung des auf modabot erschienenen Beitrags
„Berlin – Eine Modestadt will nach oben“

modabot-Tags „Berlin Fashion Week“

Bildkommentare
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Karstadt-Chef Wolf, Kaviar Gauche, Klaus Wowereit
c.neeon Show SS 08 „Love you delicious“

Diane Pernet
Patrick Mohr

2.Block
TalkingMeansTrouble Show MBFWB
Lala Berlin Show MBFWB
Macqua Show MBFWB
Smeilinener Show MBFWB

3.Block
– ideal Show
– ideal Show
Sandra Backlund nach der ideal Show
Eric Lebon Show

4.Block
Esmod Abschluss Show
– Unbekannte
– modabot Interview mit Alban Adam
– Melissa Drier

Credits: modabot