Berlin Fashion Week: 1811 Fashion Show

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MOON Berlin Fashion Show

Vor dem offiziellen Schauenstart eine Fashionshow zu veranstalten ist clever, weil die Zuschauer noch nicht gestresst sind. Es ist auch von Vorteil, weil es kaum Konkurrenzveranstaltungen gibt – außer der Bread & Butter Auftaktparty mit Burlesqueshow und Boxkampf – und weil das Publikum noch keine drängenden Folgetermine und somit mehr Geduld hat. Die brauchte es auch.

Im Kunsthaus Tacheles, diesem traditions- und geschichtsreichen Bau in der Oranienburgerstraße, fand die 1811 Show statt, einfach benannt nach dem Datum. Insgesamt sechs kleinere Labels zeigten dort ihre Kollektionen für Herbst /Winter 2011/12 – bestehend aus den Designern von MOON Berlin, Rocío, Moga e Mago, Von Bardonitz, Tata Christiane und Mila Miyahara.

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Fashionfilmshorts als Intermezzo

Die heruntergekommene, graffitibesprühte und abgerockte Location ist ein typischer Berliner Spot für artsy Fashionshows und genau diesem Motto getreu wurde die Schau auch gestaltet. In der großen fabrikartigen Halle mit Putz abblätternden Wänden wurde ganz ohne erhöhten Laufsteg progressive, oder dies zumindest sein wollende, Mode gezeigt. Die Organisation war leider nicht ohne Fehler, sodass die Show mit reichlich Verpätung erst beginnen konnte und durch überlange Zwischensequenzen in Form von unvertonten Modefilmshorts weiter in die Länge gezogen wurde.

Den Anfang machten die Organisatoren der Veranstaltung, das Berliner Label Moon Berlin. Das besondere Kennzeichen von Moon ist der Einsatz von LED-Technologie in der Kleidung – an sich eine wunderbare Idee, die Technik und Mode integriert.

Hier sah es leider teils einfach aus, als wäre die übrige Christbaumbeleuchtung unter den filigranen und überaus ansprechenden Kleidern des Labels verbaut worden. Als erste Kollektion ist dies ausbaufähig, aber zweifelsohne erfolgversprechend.

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Moon Berlin integriert LED-Technik in Mode

Es folgte die Präsentation von Rocío, dem Label der 23-jährigen Jasmin Heiderich, das einfallsreiche Kleidung unter dem Titel „Heroes“ bot. Gefaltete Stofflagen in origamiartigen Drapierungen und unkonventionelle Nahtverläufe mit verrutschter Seiten- oder Schulternaht, das Ganze aus hochwertigen Stoffen wie Seide, Baumwolle, Leder und Kaschmir, gaben Grund zu Begeisterung.

Sowohl Damen als auch Herrenkleidung kreiert Rocío, auch wenn die Kreationen für Männer etwas weniger spektakulär bleiben.

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Rocío Fashion Show Opening

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Rocío Fashion Show Origamidress

Das Label Moga e Mago wird designt von dem Duo Elisa Lindenberg und Tobias Noventa, die sich selbst als „das moderne Mädchen und der Zauberer“ beschreiben. Um eine ebenso magische Stunde geht es in der Accessoirekollektion des Labels, nämlich um die „Blue Hour“, die zweimal am Tag vorkommen kann. Während dieser wird Berlin in einen zauberhaften blauen Schimmer getaucht und alles kann passieren -selbst geheimste Phantsien können wahr werden.

Diese scheinen allesamt etwas mit Fetisch und Bondage zu tun haben: Ziegenhaarärmel werden von einem engen Lederhalsband gehalten, eine Lightversion eines Kettenhemdes als Körperschmuck und Latexleggings bestärken den Eindruck.

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Moga e Mago Bluefox Schultern und Tasche

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Moga e Mago Kettenaccessoire

Von Bardonitz und Tata Christiane von dem Designkollektiv The Offer folgten im Anschluß. Von Bardonitz zeigte eine Kollektion, der ein wenig der rote Faden zu fehlen schien. Ein weibliches Modell schien einen zweiteiligen Blaumann mit tiefem Schritt und abstehenden Taschen zu tragen, ein männliches eine Ikea-Uniform, deren Designer die gesamte geometrische Palette voll ausgekostet hatte. Verschiedene Gelb- und Blautöne wurden in einem Outfit miteinender kombiniert, eine Kombi wirkte wie Strickpulli zu Basketballshorts. Eines der Highlights war ein gelber, voluminöser Mantel mit riesigen Patten und Oversizekragen, der auch in der Kombi zur blauen Hose und Chiffonshirt eine vielversprechende Kombination abgab.

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Von Bardonitz Fashion Show

Tata Christiane ließ der Kreativität freien Lauf und kombinierte wild Muster und Materialien. Strick-, Häkel-, Klöppeltechniken wurden mit Millefleurmustern, Spitze, Pelz, Rüschen und Federstolen vermischt und die krassesten Farbkombinationen bevorzugt. Es wirkte clownesk, fast karnevalesk und erinnerte ein Stück weit an Lumpensammler, kann aber auch erstaunlicherweise äußerst ansehnlich erscheinen.
In einer schlichteren Zusammenstellung, mit unifarbenem oder schwarzem Oberteil, können die gemusterten Sarouelhosen echte Trendpieces sein.

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Tata Christiane Fashion Show

Zu guter Letzt folgte noch Mila Miyhara, deren Kollektion ein wenig enttäuschte. Während die vergangenen Kollektionen der Philosophie des Labels entsprachen, „minimalistische(s) Design, klassische Schnitte und äußerst gut durchdachte Details“ zu liefern, gelang dies in dieser Saison nicht.
Neben Fake-Fur Röcken und Kleidern, die monströs wirkten, zeigte das Label unspannende Mode. Einzig ein 30er Jahre inspiriertes Kleid mit Fellkragen hatte Potential zum Must-Have, hätte es perfekt gesessen.

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Mila Miyahara Pelzkleid

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Mila Miyahara 30s Dress

Insgesant war die 1811 eine Show(reihe?), die Potential zeigte, die Berlin Fashion bereichterte und auf die Zukunft neugierig macht.
Abschließend soll bemerkt sein, dass die Diversität der Models – fortgeschrittenen Alters und jung, hell- und dunkelhäutig, asiatisch, männlich, weiblich, und cross-dressed – ein positives Vorbild für andere Laufstege sein könnte.

Barbara Russ