li. Diane Pernet und Mr. Pearl im Gespräch; re. Mr Pearl mit einer seiner Kreationen
Mr Pearl ist ein Name, der vermutlich wenigen bekannt ist, die nicht extrem an Selbsthass oder Selbstverliebtheit, möglicherweise einer Fixierung in der Kindheitsphase oder einer Kombination aus allen Dreien leiden. „It’s a small world, cause it’s a small waist“, sagt Pearl.
Denn sich in ein Korsett zu zwängen, es tagtäglich enger zu schnüren, und das dann „Befreiung“ zu nennen, dazu gehört schon eine Portion Verrücktheit. Kein Wunder also, dass Mr Pearl in der schwarz verkleideten und stets hinter dunklen Brillengläsern verborgenen Kunstfigur Diane Pernet eine Seelenverwandte gefunden hat.
Beide reden mit ruhiger, fast heiserer Stimme, und während der eingeschnürte Pearl offenbar nicht genug Luft zum Atmen bekommt und immer wieder inne halten muss, scheint Pernet die Zeit zwischen ihren Worten zu nutzen, um diese in ihrem schwarz verschleierten Haupt zu suchen.
Dennoch geben sie ein faszinierendes Paar ab: beide haben ihren Körper ver-/geformt, um eine Karriere, eine Persönlichkeit und eine Projektion von sich selbst zu kreieren. Form follows function, man könnte auch sagen: totale Disziplin.
Dita von Teese mit einer Kreation von Mr. Pearl und das entsprechende Ausstellungsstück
Pearl interessiert sich, so sagt er, besonders für „displacement“ also Deplatzierung/Verformung. Das Korsett verlängere die Wirbelsäule, nehme Einfluss auf den Blutkreislauf und führe so zu einem leichten Schwindelgefühl. Außerdem, sagt er, interessiert ihn „restriction“, also die körperliche Einschränkung, die in sich Freiheit berge. Kotrolle über den Körper also, befreit den Geist. Und noch fügt er hinzu, es sei „all about comfort“: wenn das Korsett richtig gemacht sei, wie beispielsweise das Korsett für Dita Von Teese’s Hochzeit mit Marilyn Manson, für welches sie ein Dutzend Anproben über sich ergehen lassen musste, bis der Maestro mit der Form des Einzelstücks zufrieden war.
Pearl für Thierry Mugler 1997, Ausstellungsstück
Als der renommierteste Korsettmacher der Welt arbeitete Pearl an einigen der ikonischsten Haute Couture Stücke der 90er, darunter die „Chimera“ und „Les Insectes“ von Thierry Mugler, Shows von sagenhafter und beinahe magischer Schaffenskunst, für Lacroix und Vivienne Westwood, sowie für Gaultier, der heute einzig übrig gebliebene Couture-Kunde Pearls.
Jean-Paul Gaultier und Dita von Teese, 2010; Mr Pearl selbst am Gipfel körperlicher Disziplin