Next Vision: Bright Green Fashion

Barbara i Gongini
Barbara i Gongini

Im Mai 2009 trafen sich 10 junge Berliner und Kopenhagener Modedesigner an der Berliner Esmod Modeschule um Öko-Mode zu lernen. Die Ergebnisse des Workshops, 10 höchst unterschiedliche Kollektionen nach ökologischen Standards produziert, präsentierten sie Ende August zur Designweek in Kopenhagen

Eco-Chic – The Fashion Paradox heißt ein Buch, das im Frühjahr 2008 bei Black Dog Publishing erschienen ist. Bereits im Titel weist die Autorin auf die Ambivalenz zweier Bereiche hin, die bis heute nicht vereinbar scheinen. Während naturverbundene Vorstellungen von einer Bewegung back to the roots“ weiterhin mit denen von einer zukunftsorientierten, sich fortwährend neu definierenden Gesellschaft kollidieren, gibt es zumindest auf ästhetischer Ebene immer mehr Verständigungsversuche.
Designer und Modelabel wie Noir, Katharine Hamnett oder Blushless die längst Vorurteile von einer Öko-Mode als einer praktikablen, begrenzt ästhetischen Alltagsmode widerlegen, seien als Beispiele angeführt. Es werden immer mehr:

Im Frühjahr dieses Jahres trafen Berliner und Kopenhagener Nachwuchsdesigner an der Berliner Modeschule Esmod zum Workshop next generation bright green fashion zusammen, um unter professioneller Anleitung Eco-Fashion zu lernen, bzw. ihr Wissen darüber zu erweitern oder ihre bereits ökologischen Produktionsverfahren zu verfeinern.
Dass dies die wichtigen ersten Schritte hin zu Öko-Designermode sind, zeigt die Tatsache, dass viele interessierte Modemacher gar nicht wissen, wie sie ökologisch korrekt arbeiten sollen, was das überhaupt heißt und wie man beispielsweise an die richtigen Stoffe und an deren Verarbeitung kommt, so Rolf Heimann, Leiter Innovation und Ökologie der Hess Natur-Textilien GmbH, der einen der Kurse leitete, gegenüber Modabot.


Esther Perbandt und Vibe Harslof im Workshop

Magdalena Schaffrin, eine der Kursteilnehmerinnen, hatte den meisten anderen in diesen Punkten einiges voraus. Unter eigenem Namen produziert die Berliner Designerin und Esmod-Absolventin bereits seit 2007 Öko-Luxus“. Kleidung, produziert aus nachwachsenden, ökologischen Materialien mit nachhaltigem Designkonzept. Luxus bedeutet für sie in diesem Zusammenhang, sich die Zeit zu nehmen, für Kreativität, Qualität und Genuss – eine klare Absage an eine schnelllebige, sich ständig selbst erneuernden Gesellschaft, die sie mit dem Durchbrechen herkömmlicher Produktionszyklen deutlich untermauert:
Seit 2008 bringt Schaffrin ihre Kollektionen nicht länger wie üblich zweimal pro Jahr als Winter- und Sommermode auf den Modemarkt, sondern hat sich für eine einzelne, dabei überzeitliche Kollektion entschieden.
Kontinuierlich, passend zur Jahreszeit und auf modische Veränderungen reagierend, wird diese um einzelne Teile erweitert, bestehende nachgefragte Stücke werden nachproduziert. „Warum soll ein Kleid was 2009 schön ist, nicht auch 2010 getragen werden können?“, sagte die Berliner Designerin im Interview gegenüber Modabot. Im Klartext: Die Designerin möchte, dass ihre Kleidung aufgetragen wird, denn erst wenn feine und ökologische Stoffe zu hochwertigen Kleidungsstücken verarbeitet werden, welche für lange Zeit getragen werden, wird die Kleidung nachhaltig“, heißt es auf ihrer Website.


Magdalena Schaffrin

Ein Konzept, das auf Kosten modischer Extravaganzen gehen muss. Ein Kompromiss, den Barabara i Gongini so nicht eingehen will. Bei der dänischen Modemacherin steht das Design im Vordergrund. In den Workshops hat sie gelernt, wie sie mit ökologischen Rohstoffen und Recycling-Produkten diesem möglichst nahe kommt.
Mit diesem Ansatz steht sie im krassen Gegensatz zur Arbeitsweise ihrer Berliner Kollegin. Auf der Kopenhagener Designweek Ende August, auf der die Kursteilnehmer ihre Ergebnisse unter dem Titel Next Vision: Bright Green Fashion“ einem breiten Fachpublikum präsentierten, zeigte i Gongini exaltierte Entwürfe, aufwendig inszeniert: Die Models trugen plateaubesohlte Fetisch-Stiefel, mit Klebefolie umwickelte Beine, ausladende Tüllkleider, dekonstruierte Lederhosen, überlange, clownesque Schnürschuhe, Perücken – alles unheimlich düster, schwarz, theatralisch und gleichzeitig überaus präsent, sich im Gedächtnis verankernd.
Nichts, das einen zunächst an Öko-Mode denken lässt. Zumindest 70% nachhaltig ist ihre Mode, verrät die Designerin im Pressetext. Die Materialien alle recyclebar und/oder aus Vintage-Stoffen gearbeitet. Avantgarde und Nachhaltigkeit können also durchaus gemeinsam daherkommen.


Barbara i Gongini

Gelegentlich befruchten sie sich sogar gegenseitig, wie die Korkkreationen Esther Perbandts zeigen: Die Berliner Designerin interessierte sich zunächst für die Rinde der Korkeiche aus rein ästhetischen Aspekten.
Wie Leder lässt es sich verarbeiten, das Produkt ist aber viel leichter und auch günstiger als die Tierhaut. Verwendung findet es in der Regel im Möbeldesign und in der Innenarchitektur, bei ihr wird Kork zum Stoff für Westen und Taschen.
Zur Show tragen ihre Models Sandaletten mit Riemen aus Echthaar, das sie auch für die Herstellung von Schmuck verwendet.


Esther Perbandt

Dass die Kollektionen von Workshopteilnehmern wie dem dänischen Designduo Vilsbøl de Arce oder der Berlinerin Julia Knüpfer auf Blogs und Modeplattformen, wie z.B. Dazed Digital aufgrund kreativer Designkonzepte und weniger wegen ihrer Verwendung ökologischer Materialien Erwähnung finden markierte den Anfang einer wünschenswerte Entwicklung.
Ob es jemals dazu kommt, dass Eco-Überlegungen keine Rolle mehr spielen, weil sie längst zur Selbstverständlichkeit geworden sind, wird sich zeigen (wer z.B. schaut heute noch nach dem FCKW-Gehalt in Sprühdosen?). Während der Blick in die richtige Richtung weist, liegt die Hand noch auf dem Modemagazin der aktuellen Saison.
Wie eine Mode aussehen kann, die die Grätsche zwischen ökologischen und gesellschaftlichen Anforderungen spielend meistert, gilt es noch zu definieren. Heute noch so wichtige Veranstaltungen wie Next Vision: Bright Green Fashion“ werden sich dann allerdings selbst überflüssig gemacht haben.

[mygal=bright_green2009]

Fakten:

Auf Initiative von CREATE BERLIN und dem Creative Forum Copenhagen haben sich Berliner und dänische Designer im Mai 2009 in Berlin getroffen. Die Ergebnisse der Workshops und Gespräche wurden Ende Juli im Rahmen der Copenhagen Design Week präsentiert.
Die zehn Designer haben jeweils mindestens drei „bright green“ outfits vorgestellt, zu denen gemeinsam im Vorfeld Standards beschlossen worden waren:

– Gewebearten: nur natürliche Fasern (z. B. organische Baumwolle) oder recycelte Materialien
– Bearbeitung: chlorfreie Bleiche, keine Schwermetalle, nur mechanische Behandlung, bei der Weichmacher und Enzyme erlaubt sind
– Produktion: lokale Produktion oder fair gehandelt

Die zehn Teilnehmer waren zuvor von den Organisatoren des jeweiligen Landes aus einer Vielzahl an Bewerbern ausgewählt worden:

Berlin:

Magdalena Schaffrin
Julia Knüpfer
Esther Perbandt
Friederike von Wedel-Parlow
Taran© Hoock

Kopenhagen:

Barabara i Gongini
Vilsbøl de Arce
Vibe Harsloef
Trine Wackerhausen
Jean-Phillip Dyeremose

Weitere Informationen:

www.brightgreenfashion.com

Weitere Berichte zum Thema:

modabot-Beitrag zum Auftakt der Veranstaltung
brigitte.de
Two for Fashion-Beitrag zur Show in Kopenhagen
zeit.de