Kann Ideenklau in der Mode nützlich sein?

Diese Frage stellen Kal Raustiala (University of California) und Chris Sprigman (University of Virginia), zwei Rechtswissenschaftler, die in einer Abhandlung die Konsequenzen von „Modepiraterie“ untersuchen.
Dabei kommen sie zu interessanten Erkenntnissen. Trotz des Problems, dass Marken sehr gut, aber Designs praktisch nicht geschützt werden können, scheint Piraterie, oder besser, das weit verbreitete Kopieren gelungener/erfolgreicher Designs dem Modemarkt zu nützen.
Das übliche Argument, das im literarischen, technologischen oder musikalischen Bereich ins Feld geführt wird, dass nämlich Kopieren, Plagiieren oder Sharing die Urheber benachteiligt und auf lange Sicht die Motivation zu kreativer Leistung unterbindet, lässt sich im Modebereich nicht so einfach bestätigen.
Vielmehr sind die Autoren der Meinung, dass Kopieren, häufig auch „Hommage“ oder „Inspiration“ genannt, dem Modemarkt im Allgemeinen sogar nützen kann, deutlich aufzeigbar an der Tatsache, dass dieser nicht stagniert, sondern vielmehr lebendig bleibt und expandiert.
Dafür liefern sie folgende Argumente:

–Modetrends, einer der wichtigsten Treiber der Modebranche würden ohne das verbreitete Kopieren nicht funktionieren. So können sich Designs nur dann zum „Zeitgeist“ ausweiten, wenn sie allerorten adaptiert und in unterschiedlichem Ausmass variiert werden.
Desweiteren ist Mode ein „Status-Gut“. Je mehr sich ein Trend ausbreitet, desto mehr werden Designer und Trendsetter versuchen, sich abzusetzen, was dazu führt, dass der nächste Modezyklus in Gang gesetzt wird.
Miuccia Prada sagt dazu: „We let others copy us. And when they do, we drop it.“

–Obwohl zu jeder Zeit eine Vielzahl von Designs entwickelt wird, entsteht in einem ungerichteten Prozess von Pressehype, Marketingerwägungen, Referenzieren, Kopieren und wahrscheinlich auch Zufall, eine dominante „Konsens“-Richtung, die von allen Akteuren der Branche wirtschaftlich genutzt werden kann.

Diese -größtenteils bekannten- Phänomene sind sicherlich richtig beobachtet und beschrieben, und es lässt sich wohl nicht leugnen, dass die fortwährende kreative Innovation und deren kommerzielle Nutzung durch sie eher gefördert als behindert wird.
Dennoch kann diese Erkenntnis nicht rundum zufriedenstellen. Es ist wohl wahr, dass der Modemarkt im Allgemeinen profitiert. Und es ist wohl auch wahr, dass es sich bei Avantgarde Design und dessen kommerziell genutzten Plagiaten um verschiedene Märkte handelt. Häufig müssen aber innovative Designer im Konkreten mitansehen, wie ihre Ideen von potenteren Produzenten übernommen werden und in einem Maße Gewinne gemacht werden, dass der Verweis auf eine allgemein positive Entwicklung der Modebranche nur ein schwacher Trost sein kann, insbesondere da häufig die auch für die weitere Karriere wichtige Anerkennung der Leistung ausbleibt.

Links
Fashion ́s Piracy Paradox (Kurze Einführung, englisch)
The Piracy Paradox: Innovation and Intellectual Property in Fashion Design
(Kurzbeschreibung und PDF-Link der Arbeit, englisch)