Fashion Week Polen – Bieder mit Ausnahmen

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Im Allgemeinen ist Polen eher bekannt als Zielscheibe gewisser Witze, durch Ex-Päpste und deftiges Essen. Dass nun der Ostblock in Sachen Mode durch teilweise übertriebene Zeigefreude und finanzstarke Ehefrauen auf der Überholspur heranprescht um die im Kommunismus verlorenen Jahre der Uniformierung wettzumachen, ist auch allseits bekannt.
Wenn dann eine polnische Modewoche angekündigt wird, noch dazu in Lodz, dann ist dies ein mit zumindest leicht zynischer Spannung antizipiertes Ereignis.

Vom 12. bis 17. Oktober 2010 zeigten vorwiegend polnische Designer und Modefotografen, was das Land im Osten in Sachen Mode und Design zu bieten hat. So gerne man sich nun positiv überraschen lassen würde, es fehlt der (dort gebliebenen) polnischen Avantgarde im Gros noch an Rafinesse. Die Kollektionen sind in den meisten Fällen eher bieder, konservativ bis einfallslos. Es gibt aber auch Ausnahmen.

Ania Kuczynska beispielsweise, von Style.com als „Poland’s Designer Darling“ gelobt und von Vogue UK zum „Eastern Promise“ geadelt, zeigte Offsite eine puristische und lässige Kollektion mit simplizistischen Formen und Oversized-Overalls. Die oft mit Raf Simons verglichene 33jährige, die in Warschau lebt und arbeitet, ist eines der bekanntesten polnischen Modetalente. Kuczynskas Kreationen sind beispielsweise in Berlin bei Wood Wood erhältlich.

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Ania Kuczynska

Leider erfüllt sich aber die Hoffnung auf wirklich Spannendes aus Polen zu dieser Fashion Week nicht.
Thorbjorn Uldam, ein dänischer Designer, bildet das Highlight der Fashion Week Poland. Was den meisten anderen Designern dieser Shows fehlt, hat er en Masse. Kreative Formen und dem Zeitgeist entsprechende Stoffe und Muster. Das Aufeinandertreffen von hart und weich, warm und kalt, maskulin und feminin in seinen Entwürfen verleiht ihnen Spannung und das gewisse Etwas. Der kreative Däne ist übrigens ein Newcomer: er hat gerade seine Ausbildung am Royal College of Arts in Antwerpen abgeschlossen.

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Thorbjorn Uldam

Auch Modefotografen wurden im Rahmen der Young Fashion Photographers Now Ausstellung in Lodz präsentiert. Besonders gelungen sind die Bilder der Fotografin Justyna Dudek, deren Bilderstrecke wörtlich übersetzt den Titel „Die Akademie von Herrn Latex“ trägt. Die schwarz-weißen, von starken Kontrasten lebenden und kraftvollen Fotografien der Künstlerin drücken weniger Fetisch aus, als sie mit Weiblichkeit und Macht spielen.

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Justyna Dudek

Zwei weitere polnische Labels sollen an dieser Stelle Erwähnung finden, auch wenn sie nicht bei der Herbst/Winter Fashionweek mit von der Partie waren.

Paradecka Hand Remade heißt ein anderes Label, das angenehm auffällt, und designtechnisch ein wenig an Henrik Vibskov erinnert.
Johanna Paradecka schloss 1999 die Strzeminski Academy of Arts and Design ab, lebte und arbeitete einige Zeit in London und präsentierte ihre Mode in Dänemark und Schweden. Seit 2007 ist sie zurück in Warschau. Das Besondere an dem Label ist, dass sie alte Textilien recycelt, die ihrer Meinung nach noch nicht ausgedient haben. So werden aus Pullovern Hosen, Röcke aus Schals und Jacken aus Cardigans.

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Paradecka Hand Remade

Mit besonders avantgardistischen Entwürfen tanzte bei der vergangenen Fashion Week die Kollektion „Dubpsychosis“ von Basia Marek aus der Reihe. Die Designerin ließ sich von dem Comic BLAME des japanischen Künstlers Tsutomu Nihei inspirieren. Dieser Mangacomic spielt in einer cyberpunkigen Zukunft, in der Menschen und Transhumans gemeinsam gegen Cyborgs antreten, um Kontrolle über die Stadt, die von einer Megastruktur und durch das Internet kontrolliert wird zurückzuerobern.
In der Welt, in der Blame spielt, ist die Realität mit dem Cyberspace fusioniert und den Menschen sozusagen über den Kopf gewachsen. Nun muss ein Auserwählter gefunden werden, der über sogenannte „Net Terminal“ Gene verfügt und sich daher frei in der Netzsphäre bewegen kann. Kurzum, es geht um eine Zukunftsvision aus Matrix gemischt mit einem sich verselbstständigenden Metropolis.
Die aus dieser Inspiration enstandene visionär-organische Ästhetik der Kollektion, gezeigt in einer Fabrikhalle mit schweren Gerätschaften im Hintergrund, innerhalb derer Formen mit dem menschlichen Körper verschmelzen, ist eindrucksvoll, die Kollektion wirkt aber nicht düster, sondern optimistisch.

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Basia Marek

Polen zeigt Potential, nur scheint es sich noch mit der Umsetzung schwerzutun. Das zeigt sich an den oft nicht international ausgelegten Homepages der Designer und der nur teilweise übersetzen Seite der Fashionweek selbst, sowie an den zum großen Teil mutlosen und Sicherheit suchenden Entwürfen der Designer.

Barbara Russ