David Gensler – Innovate or Die

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David Gensler in seinem Atelier

David Gensler ist nicht einfach nur ein Designer: Neben seinem Label Serum Versus Venom (SVSV) betreut er Kunden wie LVMH, Adidas und K2 als Consultant und betreibt die Keystone Design Union (KDU), ein Kreativen-Netzwerk mit mehr als 1500 Mitgliedern in 80 Ländern. Die KDU besteht seit 2003 und hat sich zum Ziel gesetzt, junge Talente in allen kreativen Bereichen – Fotografen, Designer, Journalisten, selbst Anwälte auf dem Gebiet – zusammenzubringen und, wenn alles nach Plan läuft, das veraltete Establishment der Modebranche in ihren Grundfesten zu erschüttern.

Wenn es nach Gensler geht, ist echte Kreativität rar und insbesondere nicht bei den großen Luxuslabels zu finden. Die Luxusbranche verrate sich selbst, indem sie die Kontrolle über ihre Produktion abgebe, so der Unternehmer, dessen eigenes Label im selben Haus in Brooklyn geplant, designt, produziert und vermarktet wird. Outsourcing sei nicht besser, nur billiger, und somit die Antithese zu Luxus. Es sei, wie wenn man in ein 5-Sterne Restaurant gehe, und der preisgekrönte Koch dann lediglich das Rezept liefere, aber nicht am Prozess des Kochens selbst beteiligt sei.
Allerdings, als Restaurantgast würde dies zu einer Beschwerde führen, im Luxussegment ist es längst vom Kunden akzeptiert.

Die Materialien für SVSV hat Gensler selbst in mühevoller Kleinstarbeit zusammengesucht. Neben Materialien aus einem Militärlager, dessen Standort er nicht verraten will, bezieht er Felle, Pferdehaar und Lachshäute aus Island, weil dort kein sinnloser Abfall produziert werde, so der Designer.
Da Island beinahe alle Rohstoffe importiere, sei man dort sehr ressourcenbewusst. Isländische Schafzüchter beispielsweise leben vom Verkauf der Schurwolle und würden daher keine Leben opfern, es sei denn, das Tier sei alt oder krank. Während einige Luxuslabels für die Haut und das Fell ungeborener Lämmer teilweise sogar Abtreibungen vornehmen lassen, hat Gensler isländische Züchter kontaktiert, um ihnen im Falle einer natürlichen Totgeburt das Fell, dort andernfalls ein trauriges Abfallprodukt, abzunehmen. Er benutzt außerdem übrig gebliebene Stoffreste für Patchworkpullover, Militärtextilien wie Zelte und Taschen aus dem ersten und zweiten Weltkrieg, sonnengegerbt und geflickt, für Jacken und Mäntel, sowie Lachshäute – ein weiteres Abfallprodukt – für Accessoires.

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Scheren, Destroy the Machines und Materialien in Genslers Atelier

Nicht nur in seinem Label setzt er auf Qualität: als Nachkomme deutscher Einwanderer in Baltimore hat er eine besondere Beziehung zu hochwertiger Arbeit: Neben seiner Sammlung von etwa 800 schweren Stoffscheren, die überall im Atelier die Wände schmücken, besitzt er auch mehrere Kameras von Leica und Linhoff und bezeichnet sich selbst als Liebhaber deutscher Autos. David Gensler wünscht sich „smart customers“, clevere Kunden, die den Wert und den Preis eines Kleidungsstückes verstünden.
Er wünscht sich eine Luxusindustrie, in der der Designer die Namen seiner Näher/innen kennt, eine Welt, in der ein Modeunternehmen Profit machen kann, ohne „die Industrie zu vergewaltigen und Abfall zu produzieren“.
Dabei ist er kein Öko-Fritze, kein weltfremder Hippie, sondern ein studierter Industriedesigner mit BWL-Hintergrund, der sich mit kritischer Theorie beschäftigt, Baudrillard und Marshall McLuhan zitiert, und sich Gedanken über den gesellschaftlichen Wandel durch Technologie macht.

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Zero-Waste Pullover und funktionelles Hemd von SVSV

Der Industriedesigner kommt in den kleinen Details des Labels SVSV zum Vorschein. Nachdem Gensler ein Hemd in seine Einzelteile zerlegt hatte, überlegte er sich, wie es verbessert werden könne.
Innovative Details, je nach Gebrauchshäufigkeit kreativere und sinnvollere Taschenlösungen, sowie Verstärkungen an den richtigen Stellen, der oberste Knopf des Hemds stets Vintage und mindestens 60 Jahre alt; die Hingabe zur Perfektion ist bis hin zu den Hangtags, individuell für jeden Shop gestaltet, spürbar.

Richtig in Fahrt kommt David Gensler, wenn es um die Diktatur der Modegiganten geht. Es werde immer das Gleiche vom Council of Fashion Designers in America gefördert, nichts wirklich Kreatives komme dort hervor, nur was die bereits Erfolgreichen an ihre eigenen Ideen erinnere. Leidenschaft werde durch Profitgier ersetzt, keiner habe mehr die Integrität „Nein“ zu schnellem Profit und billigen Kooperationen zu sagen.
Die CFDA sei wie die Dinosaurier Minuten vor dem Meteoriteneinschlag. Die KDU ist sein Gegenentwurf zu dieser Gleichschaltung in der Mode. Bleibt zu hoffen, dass er Erfolg hat.
Mehr Labels wie SVSV wären eine Bereicherung.