BÄNG! Art Forum auf der ideal 4

Ein Bericht von Mahret Kupka

Mit der Kunst und der Mode ist das so eine Sache. Ein bisschen so wie mit einem ungleichen Geschwisterpaar. Durch Blut miteinander verbunden, aber doch irgendwie grundverschieden. Immer wieder versuchen beide miteinander auszukommen und es gelingt mal besser, mal schlechter.

In diesem Sommer haben sich sowohl die Veranstalter der ideal als auch die Betreiber der so genannten „Projekt Galerie Showrooms“ (die im Grunde aus ca. fünfzehn entlang der Torstraße gelegenen Galerien bestand und während der Fashion Week aufstrebende Designer in Kombination mit aufstrebenden Künstlern präsentierte) um eine Vermittlung bemüht.
Im Falle der ideal wurde der Galerist Magnus Müller eingeladen, den Pavillon schräg gegenüber des Cafè Moskau, dem Standort des ideal Showroom, mit Kunst zu bespielen. Eine Auswahl von Künstlern aus dem eigenen Galerieprogramm im Gepäck, machte der engagierte Kurator sich daran, die Gemeinsamkeiten und die Grenzen der Ungleichen auszuloten.

Ich bin gespannt. Am Tag der Eröffnung komme ich früh. Draußen vor der Türe ein Partypavillon mit kulinarischen Spezialitäten, drinnen eine Bar und ein DJ, ein zerschossenes Klavier, und ein riesiger polierter weißer Knochen und eine Fotografie des im Abgerissenwerden begriffenen Palastes der Republik.
Oben auf der Galerie, Eric Lebon, der Desiger, in persona, o.k. und wieder etwas mehr Kunst, kleine Betongebilde auf Holzpodesten, eine Videoarbeit? Ich erinnere mich nicht mehr richtig. Schnell ein paar Fotos von oben als Gedankenstützen für diesen Text – dann erstmal ein Bier – Musik – Rumstehen, Sitzen – ach was, unten ist auch noch was? Drei Monitore mit kurzen Filmen, die aber nicht zu „BÄNG!“ (so der Titel der Ausstellung) dazugehören, sondern dem Kurator nur irgendwie untergeschoben wurden (das „You wear it well“ – Projekt von Diane Pernet). Später fällt mir noch auf, dass ein Drahtseil der Balustrade der Galerie sich scheinbar gelöst hat und nun irgendwie nicht mehr gespannt, schlaff in der Verankerung hängt…
Ich gehe wieder nach draußen. Etwas benommen von dieser Supervernissage und komplett überfordert vom nicht bloß interessiert aussehen sondern auch interessant aussehen. Es ist schon anstrengend, wenn die Grenzen sich zu vermischen scheinen. Ich fasse den Entschluss morgen noch einmal zu kommen, um mir die Kunstexponate anzusehen.

Der neue Tag bietet die Möglichkeit, den Kurator kennenzulernen. Synergien haben ihn interessiert und Analogien, die zwischen den künstlerischen Konzepten und den Fragestellungen, denen sich ein Modedesigner in heutiger Zeit konfrontiert sehen kann, bestehen können.
„Recycling“ z.B. – ich denke an Maison Martin Margiela und stimme zu. Oder „Identität“ in der Arbeit Chris Larsons‘, der ein Klavier, das eigentlich gar keines ist, sondern nur dessen Hülle, mit einem Gewehr zerschießt und damit im weitesten Sinne die Rassentrennung in den USA thematisiert (ein noch aufschlussreicherer Teil der Arbeit befand sich hinter der Bar in einem Raum, der mir am Eröffnungsabend gar nicht aufgefallen war).
Ich nicke, frage mich aber gleichzeitig, wem das gestern Abend wohl aufgefallen sein mag und fühle mich in meinen Befürchtungen bestätigt, als Magnus Müller äußert, ein wenig Angst um die Kunstwerke gehabt zu haben, besonders um den hochglanzpolierten Knochen („Schein versus Sein“), der sich doch zu verführerisch als bequeme Sitzfläche darbot.
Überhaupt schien der Kunstcharakter der Kunstwerke an diesem Abend noch etwas mehr, als es bei „normalen“ Vernissagen der Fall ist, verloren gegangen zu sein. Sie waren Dekoration und dabei nicht einmal schön (damit möchte ich nichts zur Qualität der Arbeiten sagen, lediglich darauf hinweisen, dass ihr Nichtschönsein im Angesicht der vielen schönen Menschen nur umso deutlicher wurde).
Warum aber waren sie da?

Was will die Mode von der Kunst? Legitimation, Inhalt, Relevanz – fallen mir spontan ein, dieses gewisse Etwas, das „je ne sais quoi“, das „nun-ja-ich-kann-es-auch-nicht-wirklich-erklären-aber…“, das eben, was die Kunst so toll, geheimnisvoll und tiefgründig macht.
Das, was die Mode nicht zu haben scheint, und schon gar nicht dann, wenn sie, wie es allzu oft passiert, mit „Bekleidung“ verwechselt wird, diesem funktionalen Ungetüm, das im Winter wärmt, vor Regen schützt usw. und das dem (nachweislich) Modeinteressierten gern den Vorwurf des Oberflächlichseins (synonym für einfältig, nicht tiefgründig, dumm usw.) einbringt.

Vielleicht hat diese Frage die wenigsten der BÄNG! – Besucher beschäftigt. Vielleicht sahen die meisten Anwesenden in der Kunst tatsächlich nur seltsame Dekoobjekte und vielleicht hat ein Besucher, der nicht am Eröffnungsabend in der Ausstellung war, auch gar nicht verstehen können, was BÄNG! und ideal (bzw. „Berlin Fashion Week“) miteinander zu tun (gehabt) haben sollen. Ich finde nicht, dass BÄNG! eine gute Ausstellung war, aber ich finde gut, dass der Versuch einer Annäherung gewagt wurde. Auch wenn die Grenzen zwischen Kunst und Mode nicht fließend sind – wie so gern behauptet wird – heißt es nicht, dass sie es nicht sein können und diese Grenzen auszuloten, sollte Ziel zukünftiger gemeinsamer Veranstaltungen sein. Schaden kann es dem Verhältnis nur, wenn aufgrund zu knapper Budgets und zu schlechter räumlicher Bedingungen der Kompromiss die Absicht überlagert.
BÄNG! war ein Anfang und ich bin sehr gespannt wie es weitergehen wird.

Mahret Kupka ist Kunstwissenschaftlerin und Herausgeberin des F&Art Blogs