A Life in Pictures: Der High Heel

Louboutin High Heels, Bild via

Louboutin High Heels, Bild via

Ursprünglich erfunden als Schuh für die männliche Aristokratie – sozusagen der Porsche des Barock – legte der Schuh mit Absatz eine steile Karriere hin: als Statussymbol, Luxusartikel und Fetischobjekt zierte er die Füße der Armen wie Reichen, der Männer und Frauen, der Regierenden und Regierten. Er symbolisierte Emanzipation wie Patriarchat, Gleichberechtigung wie Unterdrückung, sexuelle Liberation genauso wie Objektifizierung. Eine spannende Geschichte, die im 17. Jahrhundert beginnt. Anna Dello Russo bringt Jahrhunderte der Modegeschichte auf den Punkt, wenn sie sagt: „If it’s comfortable, it’s not fashion“. Genau darum ging es nämlich von jeher. Die Adels-, Geld- oder Fashionelite will sich durch ihre Kleidung von der „Masse“ abheben. Das geht besonders gut durch avantgardistische oder durch unpraktische Kleidung. Der High Heel war unsprünglich so gedacht und erfüllt immer noch das selbe Kriterium: für die meisten ist er im Alltag einfach nicht tragbar. Wer viel laufen oder stehen muss, also einen „Blue-collar“ Job hat, wie man im Englischen sagt, kann den High Heel und viele andere unpraktische Klamotten nicht zur Arbeit anziehen – er bleibt jenen vorenthalten, die sitzende Tätigkeiten ausführen und chauffiert werden.

Louis XIV in seinen stylischen Tretern. Gleich ein paar Zentimeter gut gemacht. Bild via

Louis XIV in seinen stylischen Tretern. Gleich ein paar Zentimeter gut gemacht. Bild via

Um ca. 1600 beginnt die europäische Aristokratie, den Schuh mit Absatz zu tragen. Am Hofe Louis XIV ( welcher 1,63m groß und vermutlich sehr dankbar für die Herrenabsätze war) trägt man unterdessen rote Sohlen, als Zeichen der Zugehörigkeit zu den obersten Rängen des Hofes. Der Vorläufer der heutigen Louboutins? – Der Schwarzmarkt mit Fälschungen jedenfalls boomte auch damals schon.

1630 ziehen die Frauen nach, und beginnen, den Herrenschuh zu tragen, um sich eine Scheibe von männlichen Statussymbol abzuschneiden. Die Herren konnten dies nur geringe Zeit erdulden, bevor sie ihre Vormachtstellung durch einen Stilwechsel sicherten: die Absätze der Herren wurden dicker, plumper, während sich die des weiblichen Schuhwerks verjüngten – Distinktion nennt sich das, nach Pierre Bordieu, im Fachjargon der Soziologen.

Schuh, ca. Bata Shoe Museum

Schuh, Bata Shoe Museum

Mit dem Beginn der Aufklärung gibt es eine Rückkehr zum Pragmatismus: die Herren entsagen dem Pomp und Firlefanz: die „Great Male Renunciation“ (etwa: große männliche Entsagung) etabliert eine bis heute andauernde Kleiderordnung: Schmuck, bunte Farben und aufwendige Stoffe sind das Gebiet der Damen, Männer tragen praktische, reduzierte Kleidung in gedeckten Farben – eine neue  soziale Ordnung setzt „Geschlecht“ nun als oberste Kategorisierung über „Klasse“ – eine Rationalisierung, welche schnell auch auf psychologische Typisierungen übertragen wird: Frauen gelten von nun an als besonders oberflächlich, emotional und irrational.

Schuhe,. Bata Shoe Museum

Schuhe,. Bata Shoe Museum

Dieser neuen Dichotomie fällt auch der High Heel zum Opfer: seiner ursprünglichen Funktion als Reitutensil, sowie der Klassendifferenzierung beraubt, wird er ein besonders gutes Beispiel weiblicher Irrationalität. Erst in der Französischen Revolution verschwindet er gänzlich auch von den Füßen der Damen.

Sein Comeback feiert er dann in den 50er Jahren des 20.Jahrhunderts. Auf Pin-Up Fotografien und pornografischen Bildern tragen die Damen Absätze. Das ultimative Phallussymbol am ansonsten unbekleideten Körper – der High Heel ist wohl prädestiniert für Pornografie. Hinzu kommt, wie J.C. Flügel 1930 argumentierte, auch noch die Symbolik der weiblichen Genitalien, die der Schuh mit seiner Öffnung darstelle. Diese symbolische Kombination von männlichen und weiblichen Sexualorganen nannte er „ambisexuell“. Kein Wunder also, dass der High Heel so eine Faszination ausübt.

Das wohl berühmteste Pin-Up Girl: Bettie Page in High Heels

Das wohl berühmteste Pin-Up Girl: Bettie Page in High Heels

Carrie Bradshaw diente wohl schließlich als die effektivste PR-Maschine für den High Heel in der jüngeren Vergangenheit. Seit dem vielleicht bekanntesten TV-Schuhtick der Welt erlebt der (Designer) High Heel eine nicht abreißen wollende Erfolgswelle. Besonders Manolo Blahnik, Jimmy Choo und Christian Louboutin haben sich als die Marken hervorgetan, die die moderne „Schuhfetischistin“ – wie sich viele Damen im Spaß bezeichnen – im Schrank haben sollte.

Sex and the City Visual von Görtz

Sex and the City Visual von Görtz

In dieser, oft nicht ernst gemeinten, Selbstbeschreibung kommt die Essenz und Faszination des High Heels schließlich erstaunlich gut auf den Punkt. Wenn man Wikipedia Glauben schenkt, kann Fetischismus folgendes bedeuten:

„Fetischismus oder Fetisch (lat. facticius ‚nachgemacht, künstlich‘; franz. fétiche ‚Zauber(mittel)‘)

1. Verehrung bestimmter Gegenstände im Glauben an übernatürliche Eigenschaften, siehe Fetischismus (Religion)
2. eine Form der Sexualität, die sich auf bestimmte Gegenstände oder Körperteile richtet, siehe Sexueller Fetischismus
3. im Marxismus die Verkehrung eines gesellschaftlichen Verhältnisses von Menschen in ein Verhältnis von Waren, siehe Warenfetisch“

 

Dem High Heel werden tatsächlich (beinahe) übernatürliche Eigenschaften nachgesagt: er mache sexy, strecke das Bein, Verwandle die Trägerin. Er richtet den männlichen, sexuell aufgeladenen, Blick auf den Fuß, eine äußerst empfindliche, erogene Zone, und das Bein entlang nach oben, und er ist eine Ware, die beinahe ausschließlich von ihrem immateriellen, symbolischen Wert lebt und so gut wie keinen praktischen Nutzen bringt – er ist somit ein ultimativer Warenfetisch.

Ob Männer jemals wieder Absatz tragen werden, oder ob Frauen ihn endgültig ablegen, oder gar als Werkzeug der Emazipierung nutzen werden – schließlich bedeutete er einst Macht und Ansehen und könnte dies durchaus wieder tun – die Zeit wird es zeigen. Der High Heel blickt auf ein bewegtes Leben zurück, und hat dieses zudem längst noch nicht hinter sich.