Gone Today, Here Tomorrow – die Kür der Bread & Butter

Ein Kommentar zum Weggang -und zur Rückkehr- der Bread & Butter Berlin

„Der Markt hat sich entschieden…“ so begann eine der interessantesten deutschen Modenachrichten des Jahres.
Was viele kommen sahen und einige wussten, wurde am 26.10.2006, 09:46 Uhr offiziell bestätigt: die Bread & Butter, neben der Premium die grösste Modemesse der Stadt, verkündete den Weggang aus Berlin, und Geschäftsführer Karl-Heinz Müller, der vor einigen Wochen noch den Verdienstorden des Landes erhalten hatte, sagte auch warum:

„Die Konzentration auf einen starken Event schafft Eindeutigkeit und Transparenz für Industrie und Handel. Die BBBarcelona hat sich als führende Plattform für die jungen, zeitgenössischen Segmente durchgesetzt, und dieser Schritt setzt weitere Potenziale frei.“

Dieser nüchterne Text löste nun aber eine Reaktion aus, die über die rein ökonomische Enttäuschung hinausging. Was bei vielen Befremden auslöste, war die Sprache des Marketing, die da gewählt worden war. Keine Rede von einer Vision, die nicht realisiert werden konnte, keine Rede von Enttäuschung, dass es nicht hatte sein sollen. Die Bread & Butter war nämlich angetreten, um mehr als nur eine Messe auszurichten. Sie wollte Berlin ganz gross herausbringen.

So war die Marketing-Kampagne der 2001 in Köln gegründeten Bread & Butter und ihres charismatischen Geschäftsführers beim Einzug in Berlin mehr als nur eine Image-Kampagne, sie war die Verkündigung einer Vision, der Vision einer Modemetropole.
Schlussendlich aber outete sich die Bread and Butter als das, was sie in den Augen der besonneneren Köpfe immer gewesen war: ein kühl kalkulierendes Unternehmen. Und aus geschäftlicher Sicht machte Berlin offensichtlich kaum mehr Sinn, ganz besonders, da mittlerweile die 2005 neu hinzugekommene Bread & Butter Barcelona mit auf Anhieb 45.000 Besuchern ertragreicher und im Rahmen der strategischen Überlegungen auch zukunftsträchtiger war. So scheint es dort gelungen zu sein, einen grösseren Anteil des südländischen Marktes anzuziehen, der sich für Barcelona mehr begeistern konnte.

Zum Trost blieb: „Home Base“ der B&B war immer noch Berlin.

Doch bevor die Stadt richtig durchatmen konnte ist sie wieder da, die Bread & Butter, als BBB KRAFTWERK. Beheimatet im stillgelegten Vattenfall-Kraftwerk in der Köpenicker Strasse, das vom „Raumforscher“ und Gründer des legendären Berliner Techno-Clubs „Tresor“ Dimitri Hegemann zur permanenten Nutzung angemietet wurde, soll das BBB KRAFTWERK 2x im Jahr ein offenes Experimentier- und Selbstdarstellungsfeld für eine begrenzte Anzahl von ausgewählten Marken werden.

Die Entscheidung für Berlin ist neben der Meinung der Veranstalter, dass Berlin das grösste Potential in Europa aufweist, auch der Tatsache zu verdanken, dass die Lücke, die die Bread & Butter in Modesparten wie Streetwear/Urbanwear hinterliess, nicht zufriedenstellend von anderen Wettbewerbern geschlossen worden sein soll. Obwohl sich Informationen der Geschäftsleitung zufolge viele Marken für einen Auftritt im BBB KRAFTWERK interessieren, scheint aber der Zeitraum von der Ankündigung Ende November bis zur Realisierung für einige von ihnen zu kurzfristig gewesen zu sein, um eine zufriedenstellende Realisierung zu ermöglichen. So wird das erste BBB KRAFTWERK nur eine „Introduction“ sein, die, obwohl voll funktional, nur 25-30 Marken, darunter adidas, Levi ́s, Goorin Bros. und Drykorn zeigen wird, eine Art „shape of things to come“.
Begleitet werden die neuen Aktivitäten in der Stadt von der Gründung des Vereins zur Förderung urbaner Subkultur bbb bioskop.

Ästhetisch und architektonisch betrachtet wirkt die von Gerätschaften und Maschinen befreite Location wie eine postindustrielle Ruine, ein ehrfurchtgebietender Abenteuerspielplatz, der durch seine dominante Präsenz die Grundstimmung für den Event schaffen wird. Ob gewollt oder ungewollt reflektiert die Bread & Butter mit der Entscheidung für diesen Ort die Transition des Standortes Berlin, vielleicht auch der Republik, von einer Gesellschaft der Schwer-Industrie in eine Spaß- und Dienstleistungsgesellschaft.
Das Konzept an sich ist in seiner Freiheit und in seinem Mut bewundernswert. Es wirft einige „Tradeshow“-Paradigmen von Bord und fordert von den „Ausstellern“ -oder besser- „Performance-Teilnehmern“ ein hohes Maß an Eigeninitiative was die Kommunikation ihrer Marken angeht.
Diese visionäre Kraft kann nur aus einer Position der jahrelangen Erfahrung und des Auslotens von Möglichkeiten gepaart mit Unternehmergeist entstehen und manchmal passiert ein kleines Wunder; von der Pflicht kommt man zur Kür und Geschäft wird zum Kunstwerk. Damit erinnert die Bread & Butter und besonders auch Karl-Heinz Müller an eine andere Größe des anspruchsvollen Mainstream.
Als Harald Schmidt SAT1 verliess, ging ein Aufschrei durch Deutschland und allerorten wurde seine Rückkehr ersehnt, ja sogar aggressiv gefordert. Als er nun an die Bildschirme zurückkehrte, hatte er sich einen langen Bart wachsen lassen und versuchte sich als Guru des Bürgertums zu stilisieren. Dieser Versuch dauerte nur wenige Wochen und bald sah man schon wieder den alten Harald Schmidt, sauber rasiert und adrett gekleidet.
So wird das die Schlüsselfrage für die Bread & Butter werden: wird sie sich wieder in das „Alltagsgeschäft“ einreihen müssen oder gelingt ihr der geschichtsträchtige Sprung in die höheren Sphären des Marketing?

www.bbbkraftwerk.com