Paris war in den vergangenen Saisons das Epizentrum einer Reihe wichtiger Veränderungen für einige führende Modehäuser; vergangene Saison debütierten Raf Simons bei Dior, Hedi Slimane bei Saint Laurent. In dieser Saison blickten viele Brancheninsider wie Modeinteressierte gespannt zu Balenciaga mit dem Wunderknaben Alexander Wang als neuen Designer, zu Sonia Rykiel mit Neuzugang Geraldo da Conceicao, sowie zu Emanuel Ungaro mit Fausto Puglisi als neue Kreativspitze.
Auch ehemals zweitrangige Häuser wie Kenzo und Céline erblühen im frischen Wind der neuen Riege noch junger, aber bereits namhafter Designer.
Die Umwälzungen in Paris, sind sie zufällige Häufungen oder wird die Mode derzeit in ein neues Zeitalter überführt?
Paris etablierte sich um die vergangene Jahrhundertwende als Zentrum der Modewelt, als Agendasetter und Leitwolf für alle übrigen Modeschaffenden. Italien sicherte sich den Platz des Thronerben, es folgten New York und Underdog London.
Paris das Wasser reichen konnte aber nie eine andere Stadt, und das liegt an der Fähigkeit der Seine-Metropole, sich immer wieder neu zu erfinden, ohne dabei an Eleganz, Autorität und Image zu verlieren.
In den 50ern, als Christian Dior plötzlich verstarb, übernahm der unbekannte Yves Saint Laurent die Geschicke des wichtigsten Couturehauses der damaligen Zeit. Seine radikale Herangehensweise kostete ihn zwar schnell wieder seinen Job, die Episode veranschaulicht aber sehr schön den Kampf in Paris zwischen Neu und Alt und der Balance dazwischen, die gefunden werden muss um branchenführend zu bleiben.
Dies gilt für die Stadt Paris als Modestandort wie auch für die einzelnen Häuser.
Da ist es beinahe ironisch, dass nun bei Saint Laurent ein zwar nicht unbekannter, aber doch relativ neuer Designer gegen festgefahrene Strukturen kämpft, um dafür von der Presse viel Häme erntet.
Hedi Slimane ist, wenn man so will, der Yves Saint Laurent unserer Zeit. Gerade auch wegen der Tatsache, dass seine Ideen zu radikal für das etablierte Haus scheinen.
Anders als Yves Saint Laurent damals, sind die heutigen „neuen“ Designer keine Unbekannten. Fast alle Namen, die in den letzten Jahren ihren Einstand bei den Pariser Modehäusern fanden, sind selbst Marken, die ihre eigene Anhängerschaft, ihr eigenes Image mitbringen.
Vom Marketingstandpunkt aus sind die Einkäufe solcher „Mode-Stars“ – hier bietet sich einmal wieder das Bild des Fußballertransfers an- also markenaufwertende Investitionen; Fusionen sozusagen, in welchen nicht (nur) das Können eines Designers erworben wird, sondern auch und insbesondere deren Coolness-Faktor.
Gerade Alexander Wang, der sowohl den amerikanischen als auch den chinesischen Markt für Balenciaga weiter öffnet, ist solch eine Markeninvestition, ebenso Raf Simons, dessen Präsenz bei Dior die Umsätze in die Höhe schnellen ließ.
Ein besonders gutes Beispiel ist auch Kenzo. Vor ein paar Jahren interessierte sich kaum jemand mehr für das von Kenzo Takada in den 70ern gegründete Haus, die Designs von Antonio Marras würdigten zwar die Wurzeln des Unternehmens, erreichten aber die junge Generation nicht.
2011 ernannte LVMH, wozu Kenzo gehört, Humberto Leon und Carol Lim von Opening Ceremony zu Kenzos neuen Kreativdirektoren. Die beiden, die selbst gar keine Designer sind, brachten das Haus mit ihren plakativ-ironischen Tierprints wieder ganz nach vorne.
Paris befindet sich offenbar in einer Zeit des Umbruchs, in der zwar alteingesessene Häuser einen neuen Anstrich verpasst bekommen, aber sozusagen nichts Neues gebaut wird. Man setzt auf bereits Erprobtes, geht kaum Wagnisse ein.
Mancherorts, wie bei Chanel, nimmt dies schon komische Züge an, wenn sich das Modepublikum Saison für Saison fragt: wie lange geht das noch mit Karl? Ein Rebranding, so werden die Rufe lauter, sei auch hier von Nöten.
Vielleicht fehlt deshalb, wegen dieser Angst vor echten Wagnissen, auch der wirkliche Nachwuchs in und aus Paris. Alleine die Tatsache, dass einem dort keine Shows renommierter Modeschulen unterkommen, wie Central Saint Martins, Royal College of Fashion in London oder Parsons und FIT in New York spricht wohl Bände.