Am Mittwoch befand der oberste Gerichtshof der USA den „Defense of Marriage Act“ für rechtswidrig, und verbietet damit die Diskriminierung von homosexullen Lebenspartnerschaften.
In New York wird eine weitere Errungenschaft in der Geschichte der LGBT-Bewegung gewürdigt: Das Museum des Fashion Institute of Technology widmet ab dem 13. September 2013 dem Einfluss homosexueller Modedesigner auf die Mode eine Ausstellung mit dem Titel ”A Queer History of Fashion”.
Damit will das Museum auf zwei Dinge aufmerksam machen: Erstens, viele der größten Modedesigner des vergangenen Jahrhunderts, seien es Yves Saint Laurent oder Alexander McQueen waren homosexuell, und Zweitens, die breite Masse geht davon aus, dass ein Mann, der in der Mode arbeitet, schwul ist.
Die Ausstellung wirft damit viele interessante Fragen auf. Haben schwule Männer ein Mode-Gen? Oder ist es nur ein Vorurteil, dass man bei einem Mann, der in der Mode arbeitet, davon ausgehen kann, dass er schwul sei?
Es gibt einige Erklärungsansätze für den Schwulen-Überschuss der Modebranche, aber keiner gibt wirklich eine zufriedenstellende Antwort. Viele Meinungen zielen auf die schwule Szene ab: in dieser hat das Äussere einen hohen Stellenwert.
Der Schönheitskanon, speziell homosexueller Männer, verlangt seinen Mitgliedern einen gewissen Standard ab. Der Körper muss schön sein, der Versuch, so lange wie möglich jung zu wirken ist geschuldet, und ein modisches Auftreten ist Pflicht.
Diese Punkte entscheiden über Aufmerksamkeit und Partnerwahl. Natürlich spielt Mode hier eine Hauptrolle, und „Mann“ beschäftigt sich sozusagen gezwungenermaßen damit.
Doch, sich mit Mode zu befassen, mag eine Sensibilität auslösen, aber sicherlich kein Können. Woher kommt also das vermeintlich geballte Talent schwuler Modemacher, Fotografen, Redakteure und generell Akteure im Moderaum?
Glaubt man Floriane de Saint Pierre, Frankreichs bekanntester Headhunterin, waren in den Neunzigern fast alle führenden kreativen Köpfe in der Modebranche Männer.
Sie stellte weiter in einem Interview fest, dass Tara Subkoffs Leitspruch, die Modewelt sei eine „gay man’s profession“, nicht unwahr ist.
Subkoff, die Designerin von Imitation, hatte zuvor Anna Wintour kritisiert und behauptet, dass diese nur schwule Männer unterstütze, ferner, dass man in der Modewelt kaum eine Chance habe, wenn man kein schwuler Mann sei.
Anna Wintour erwiderte nur, dass sie nach Sensibilität und Ästhetik suche – wenn sich diese bei einem schwulen Mann fände, läge es eher an der Person und nicht an deren sexueller Orientierung.
Gender-Theoretikerin Judith Butler fährt in der Hinsicht eine ganz andere Schiene. Sie behauptet, dass die Mode ein Ausdruck der Persönlichkeit sei und sie das Werden und das Sein eines Menschens darstellt. Dass so viele Homosexuelle in der Mode arbeiten, erkläre sich folgerichtig damit, dass diese einem ständig die Möglichkeit gibt, etwas anderes, oder zumindest ein optimierteres Selbst zu werden.
Die „Performativität“ von Gender, laut Butler ein gesellschaftliches Konstrukt, würde sich dann an der Mode besonders manifestieren, potenziell eine Angriffsfläche der gesellschaftlichen Intervention bieten.
Wenn man diesen Gedanken weiter verfolgt, wären homosexuelle Männer auch deshalb in der Mode, weil diese die Möglichkeit bietet, ihre prekäre Situation ideologisch sichtbar zu machen.
Die Mode wäre dann ein Abbild des inneren Spannungsverhältnisses zwischen Konformität und Abgrenzung, ein selbst gewähltes Schlachtfeld gegen gesellschaftliche Normen und heteronormative Machtstrukturen.
Für diese These spricht, dass Schwule und Lesben Mode derart unterschiedlich nutzen. Konventionelle Rollen – Frauen, als das schöne Geschlecht zu fungieren haben, sich herausputzen, und Männer, die sich in Sachen Kleidung gesittet zurückhalten – werden im homosexuellen Bereich oft umgedreht, selbst wenn man Transvestitismus außen vor lässt.
Viele Psychologen gehen bei diesem Thema auch von (Über-)Kompensation aus. Da die Gesellschaft die Homosexualität lange nicht akzeptiert(e), versuchen sich Homosexuelle positiv zu profileren, indem sie Erfolg haben oder etwas Großes schaffen.
Dies, so die Theoretiker, führe auch dazu, dass man in den Branchen, in denen es viele Homosexuelle gäbe, vielmals nach Superlativen strebe.
Und die Mode giert nun mal nach Superlativen.
Welche dieser Theorien nun tatsächlich zutreffend sind, oder überhaupt einen Anhaltspunkt geben, wieso Schwule sich gerne in der Mode tummeln – und Lesben eher seltener – sei dahingestellt.
Eines kann man aber mich Sicherheit sagen: Den Homosexuellen verdankt die Mode ihr Gesicht.
Wir schulden die zeitgenössige Kostüm- und Modegeschichte zum großen Teil einer handvoll schwuler Männer. Man nehme nur Christian Dior, der es schaffte, in den Fünfzigern der Frau eine (überzeichnete) Weiblichkeit wieder zu geben, nachdem sie diese zuvor in den Dienst des Vaterlandes gestellt hatte.
Oder Karl Lagerfeld, der das Traditionshaus Chanel rettete und die Pariser Mode revolutionierte, indem er mehr auf das Branding setzte als auf die tatsächlichen Designs.
Ein berühmtes Beispiel auch der verstorbene Yves Saint Laurent, der Frauen den Anzug schenkte, und mit diesem prometheischen Akt Wegbereiter für die Bürokleidung wurde, die in den Neunzigern ihre Apotheose feierte.
Jean-Paul Gaultier machte die Kostüme für Madonna, führte den Matrosen auf den Laufsteg – eine der Fetischgestalten der Szene – brach weiter mit den Konventionen der Heteronormativität indem er die Schnitte für den Mann femininer machte und vice versa.
Seien es Dries van Noten, Zac Posen, Viktor & Rolf oder das Duo hinter Dolce & Gabbana, die Homosexuellen haben einen immensen Beitrag zur Mode geleistet.
Mit ihr haben sie tatsächlich indirekt die Homophobie bekämpft, worüber sich die Post-Stonewall-Generation oft nicht bewusst ist, sowie Homosexualität in der Gegewartskultur publik, gegenwärtig und akzeptabel gemacht.
Wichtig ist aber auch stets im Hinterkopf zu behalten, dass die sexuelle Orientierung einer Person bei weitem nicht ihr Können oder ihr Wesen zusammenfasst, und dass die eigenen Klischees immer wieder einmal einem Reality-Check unterzogen werden sollten.
Mode ist besonders wegen ihrer Offenheit gegenüber Neuem und ihrer Begeisterung für Außergewöhnliches und Andersartiges eine wichtige Festung in der LGBT-Bewegung geworden.
Die Ausstellung im FIT ist somit ein großer Moment für beide, sowie für Toleranz, Akzeptanz und Menschlichkeit.
HIER kann man die Ausstellung finanziell unterstützen.